Gute Arbeit – Was sie ausmacht und warum sie so wichtig ist
Shownotes
Ab den 1970ern setzte sich die Politik in Westdeutschland – unter anderem auf Drängen der Gewerkschaften – für gute Arbeit und bessere Arbeitsbedingungen ein. Das Forschungsprojekt Humanisierung der Arbeitswelt, kurz HdA, startete 1974 und sollte wichtige Hinweise darauf liefern, was gute Arbeit ausmacht und wie Arbeitsplätze besser und sicherer gestaltet werden können.
Die Historikerin Nina Kleinöder hat zu HdA geforscht und berichtet in dieser Folge, wie das Projekt ablief und welche Folgen es für die Beschäftigten hatte.
Außerdem ist Linda Achtermann, Hosts des Podcasts „Edelmetall“ der IG Metall Jugend, zu Gast und erzählt, was sie aus ihren Gesprächen mit jungen Gewerkschaftsmitgliedern über gute Arbeit und Mitbestimmung mitgenommen hat.
Und Rolf Schmucker spricht über seiner Arbeit am DGB-Index Gute Arbeit. Für diesen Index werden jedes Jahr Arbeitnehmer*innen darüber befragt, wie sie ihre Arbeitsbedingungen wahrnehmen.
„Geschichte wird gemacht” ist eine Produktion von Hauseins im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. • Host: Maria Popov • Redaktion: Katharina Alexander für Hauseins und Dieter Pougin für die Hans-Böckler-Stiftung • Produktionsleitung: Stefanie Groth • Schnitt und Sounddesign: Joscha Grunewald
Links und Hintergründe
- Podcast „Edelmetall“ der IG Metall Jugend
- Nina Kleinöder: „Humanisierung der Arbeit“ – Literaturbericht zum „Forschungsprogramm zur Humanisierung des Arbeitslebens“
- DGB-Index Gute Arbeit
- Historischer Überblick: Über die Humanisierung des Arbeitslebens (HdA)
- Literaturübersicht der Friedrich-Ebert-Stiftung: Humanisierung der Arbeit
- Zu Rechtsextremismus und Jobzufriedenheit: „Schlechte Jobs untergraben die Demokratie“
- IG-Metall: Was heißt Gute Arbeit? Wir fragen nach und setzen um
- Regierungserklärung Friedchrich Merz
Transkript anzeigen
00:00:00: *Protestrufe*
00:00:08: *Musik*
00:00:24: Maria Popov: Hey, ich bin Maria und ihr hört „Geschichte wird gemacht“. Gute Arbeit, was bedeutet das für euch? Viele Freiheiten und flexibles Arbeiten oder eher klare Strukturen und viel Sicherheit? Oder ist euch vor allem wichtig, dass ihr dickes Gehalt bekommt?
00:00:42: *Musik*
00:00:45: Diese Frage beantwortet jede Person wahrscheinlich ein bisschen anders. Und trotzdem gibt es doch einige Grundbedingungen, die stimmen müssen, damit Arbeit gut sein kann. Zum Beispiel, dass sie nicht krank macht, dass Beschäftigte mit Respekt und Wertschätzung behandelt werden, dass sie selbst- und mitbestimmt arbeiten und von ihrem Gehalt gut leben können und dass ihre Arbeit die Umwelt nicht zerstört. Die Frage, was gute Arbeit ausmacht, beschäftigt viele Gewerkschaften seit ihren Anfängen. Der Kampf für gute Arbeitsbedingungen war der Grund für ihre Gründungen. Und hier im Podcast haben wir schon über einige erfolgreiche Kämpfe gesprochen. Über die Einführung des Achtstundentages, über Lohnfortzahlungen bei Krankheit oder über Mitbestimmung im Unternehmen. Doch politisch wird die Frage danach, wie Menschen ihre Arbeit gestalten wollen, im Moment nicht gerade ernst genommen. In seiner Regierungserklärung sagte Kanzler Merz:
00:01:37: O-Ton Merz: Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten. Mit Viertagewoche und Work-Live-Balance werden wir den Wohlstand unseres Landes nicht erhalten können.
00:01:53: Maria Popov: Damit hat Merz ziemlich polarisiert. Denn der Blick in die Geschichte zeigt, nur wenn Menschen unter guten Bedingungen arbeiten, können sie das auch lange machen, ohne krank zu werden oder sich zugrunde zu schuften. Und darum fordern auch die Gewerkschaften heute noch „gute Arbeit für alle“.
00:02:09: Linda Achtermann: Was ich gelernt habe in den letzten Jahren durch den Kontakt mit jungen Gewerkschafterinnen ist, jetzt wird es schmalzig, aber, dass die Welt noch nicht verloren ist, im Grunde. Also ich habe wenig Räume erlebt, in denen so beeindruckende Menschen unterwegs sind, die sich so weitreichende Gedanken machen um die Welt um sich herum.
00:02:31: Maria Popov: Das ist Linda Achtermann. Sie ist Journalistin und Moderatorin und vielleicht kennt ihr ihre Stimme aus dem Podcast „Edelmetall“ von der IG Metall Jugend. Dort spricht sie einmal im Monat darüber, was die IG Metall Jugend gerade umtreibt und interviewt Ehrenamtliche über ihr Engagement in der Gewerkschaft. Und das Thema gute Arbeit spielt nicht nur in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle.
00:02:50: Linda Achtermann: Meine Eltern sind beide Gewerkschafter. Also meine Mutter war in der Ver.di und auch später Personalrätin bei der Stadt Wolfsburg und mein Vater war Betriebsrat bei Volkswagen immer in der IG Metall und später auch da Gewerkschaftssekretär und deswegen waren so Gewerkschaften für mich immer in meinem Leben total präsent und vor allen Dingen auch so im Wolfsburger Stadtbild eine ganz wichtige gesellschaftspolitische Stimme.
00:03:13: Maria Popov: Sie selbst ist Mitglied bei Ver.di und IG Metall. Das hat ihr schon häufiger ganz konkret dabei geholfen, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
00:03:19: Linda Achtermann: Rechtsberatung oder so, Draufsicht auf irgendwelche Verträge oder so was, das sind alles Sachen, die einem die Gewerkschaft bietet und gerade die Ver.di, wenn man freie Journalistin ist, ist da sehr sehr nützlich, weil man da sonst sehr viel Geld auch für bezahlen.
00:03:32: *Musik*
00:03:35: Maria Popov: Auch als Linda Achtermann sich vor ein paar Jahren selbstständig gemacht hat, wurde sie dabei von der Gewerkschaft unterstützt. Und diese Entscheidung, raus aus der Festanstellung, rein in die Selbstständigkeit, war für Linda ein wichtiger Schritt dabei, um rauszukriegen, was gute Arbeit für sie persönlich ausmacht.
00:03:50: Linda Achtermann: Es ist dieses sehr sperrige Wort Zeitsouveränität. Also dass ich entscheiden kann, wann ich wo für etwas bin. Ich war im Angestelltenverhältnis in so einem kreativen Beruf, da nicht entscheiden zu können, welche Projekte du wie umsetzt, das hat mich irgendwann zu doll festgehalten, hatte ich das Gefühl und ich konnte nicht mehr selber so meine Weiterentwicklung steuern.
00:04:14: Maria Popov: Aus ihren Gesprächen mit Gewerkschaftsmitgliedern weiß Linda Achtermann, dass die Frage nach guter Arbeit auch dort viele umtreibt.
00:04:20: Linda Achtermann: Das sind, glaube ich, die Evergreens der Gewerkschaftsarbeit. Sowieso zu verhandeln mit den Arbeitgebern, dass die Arbeit so gestaltet werden sollte, dass sie zum Leben passt und nicht andersrum.
00:04:30: Maria Popov: Dabei merkt Linda auch, wie die angespannte Wirtschaftslage der letzten Jahre die Schwerpunkte in den Diskussionen um gute Arbeit verändert hat.
00:04:37: Linda Achtermann: Jetzt ist die Frage, sind die Arbeitsplätze noch da? Vor drei Jahren haben wir eher darüber geredet, wie können wir die Arbeitsplätze so gestalten, dass sie attraktiver werden, dass Leute in die Industrie gehen wollen. Und da ging es total viel darum, wie können wir Vereinbarkeit zum Beispiel auch in der Fertigung schaffen, am Band. Also wenn da die Schichten sind, aber jemand hat Kinder, die er beaufsichtigen muss oder eben einfach auch Lust, mal Hobbys auszuleben, was für Möglichkeiten gibt es da?
00:05:03: Maria Popov: Aber, ihr habt es schon gehört, politisch wird gerade ein ganz anderer Schwerpunkt gesetzt. Da heißt es gerne, junge Leute sind faul, die wollen gar nicht mehr arbeiten. Gleichzeitig zeigt zum Beispiel eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, dass gerade junge Menschen zwischen 20 und 24 deutlich mehr arbeiten als die Generationen vor ihnen. In Gesprächen mit Gewerkschaftsmitgliedern nimmt Linda Achtermann wahr, dass junge Menschen ganz andere Sorgen haben.
00:05:29: Linda Achtermann: Es ist ja kein Geheimnis, Ausbildungsplätze werden abgebaut. Also das ist bei großen Unternehmen so, das ist bei kleinen Unternehmen so und dann ist es gar nicht anders möglich, als dass junge Menschen Angst um ihre Zukunft haben. Also ich war zum Beispiel jetzt bei einer letzten Tarifrunde bei Volkswagen, da habe ich mit vielen jungen Menschen dann vor Ort gesprochen und da waren junge Menschen dabei, die mir in die Augen geguckt haben und gesagt haben, ich weiß nicht, ob dieser Beruf, den ich jetzt erlerne, ob es den noch gibt in fünf, sieben Jahren. Und da kriege ich fast Gänsehaut, weil das natürlich gerade bei so großen Unternehme, die haben natürlich einen Dominoeffekt. Also wenn da Belegschaft zurückgefahren wird, wenn da Ausbildungsplätze zurückgefahren werden, dann ändert sich die Perspektive für tausende Menschen vor Ort.
00:06:14: Maria Popov: Im letzten Jahr haben mehrere große Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Post und Volkswagen angekündigt, tausende Stellen abzubauen. Und neue Technologien wie KI sorgen zusätzlich für Unsicherheit. Linda Achtermann ist da mit Blick auf ihre Arbeit zwiegespalten.
00:06:29: ,988 Linda Achtermann: Ich bin, glaube ich, sorgenvoll wie viele, ich glaube, KI ist für alle so was, wo man das Gefühl hat, ah jetzt habe ich es verstanden und dann kommt irgendwie was neues und man denkt, ach so das kann das auch noch? Und als jemand, der mit seiner Stimme und Recherchefähigkeiten arbeitet, ist das natürlich, ja, also man sieht ja immer wieder, wie Stimmen kopiert werden können oder ich habe mir auch schon Sachen von ChatGPT oder Perplexity recherchieren lassen und dachte, ach so schlecht ist das gar nicht, damit kann ich eigentlich ganz gut weiter arbeiten. Irgendwie habe ich das Gefühl, man kann das ganz inkludieren und wenn wir alle daran arbeiten, dass wir den Wert auf Menschlichkeit auch in unsere Arbeit legen und sagen, es ist wichtig, dass Menschen miteinander sprechen und Menschen mir diese Informationen einordnen, habe ich das Gefühl, das wird schon gut. Ich mache mir eher Sorgen um Bereiche der Industrie, wo es halt wirklich darum geht, noch mehr Arbeitsplätze vielleicht damit einzusparen.
00:07:22: Maria Popov: Die Angst davor, wie technischer Fortschritt unsere Arbeitswelt und die Qualität der Arbeit verändern wird, ist nicht neu. Auch schon früher trieb die Frage, wie gute Arbeit aussehen kann und wie sie durch neue Technik verändert wird, die Menschen um.
00:07:35: *Musik*
00:07:42: Maria Popov: In den 50er Jahren boomt die Wirtschaft in Westdeutschland. In kurzer Zeit entstehen viele neue Unternehmen und Produktionszweige. Deutsche Waren werden in die ganze Welt exportiert. Das Wirtschaftswunder sorgt dafür, dass es kaum Arbeitslose gibt. Dabei sind die Bedingungen, unter denen die Menschen arbeiten müssen, alles andere als angenehm.
00:08:01: Nina Kleinöder: Wir haben es hier vor allem natürlich, wenn wir an die Industrieproduktion denken, auch mit einer fordistischen Produktionsweise zu tun.
00:08:10: Maria Popov: Das ist Nina Kleinöder. Sie ist Historikerin und forscht zur Geschichte der Arbeit.
00:08:14: *Musik*
00:08:16: Dabei hat sie sich besonders auf den Arbeitsschutz fokussiert. Und wovon sie hier spricht, diese fordistische Produktionsweise, damit meint sie eine Art zu arbeiten, die auf den Autohersteller Ford zurückgeht. Der hat in den USA Autos gebaut und dabei den Arbeitsprozess in möglichst kleine Schritte zerlegt. Ein Arbeiter hat also nicht das ganze Auto zusammengebaut, sondern immer nur einen kleinen Part übernommen, zum Beispiel Reifen montiert. Dadurch wurde die Arbeit sehr gleichförmig, langweilig und auch körperlich herausfordernd, weil die Arbeiter ein bisschen wie eine Maschine über Stunden immer nur die gleiche Bewegung ausgeführt haben. Die Filmnerds unter euch kennen das vielleicht auch aus dem Film „Modern Times“ von Charlie Chaplin. Und diese Art zu arbeiten setzt sich nach dem zweiten Weltkrieg auch in Deutschland durch.
00:09:02: Nina Kleinöder: Klassisch könnte man Akkordarbeit oder Fließbandarbeit eben auch darunter subsummieren, dass man im Takt der Maschine arbeitet. Also dass nicht die Maschine sich nach den menschlichen Bedürfnissen oder nach der menschlichen Arbeit orientiert, sondern dann die Maschine die menschlichen Handgriffe und die menschlichen Arbeitsbedingungen diktiert.
00:09:21: Maria Popov: Das heißt, die Menschen haben Arbeit, aber müssen unter Bedingungen arbeiten, die sie erschöpfen und krank machen. So kann das nicht weitergehen, finden viele, vor allem in den Gewerkschaften. Sie orientieren sich an den USA. Dort gibt es seit den 60er Jahren die Quality of Life-Bewegung.
00:09:38: Nina Kleinöder: Bei dieser Bewegung ging es letztendlich um so eine gesellschaftskritische Perspektive auf Wohlstand und Wachstum und der Frage, reicht ökonomisches Wachstum, ökonomischer Wohlstand eigentlich für eine Lebenszufriedenheit aus oder gehört da eben nicht mehr zu?
00:09:56: Maria Popov: Insbesondere ein Politiker treibt diese Bewegung in Deutschland voran.
00:10:00: Nina Kleinöder: Vor allem verbunden wird das mit Willy Brandt, der, soweit wir wissen, erstmals das überhaupt in Deutschland breiter aufgegriffen hat und hier diese Quality of Life, in der Bundesrepublik Qualität des Lebens, Idee in sein Wahlprogramm und schließlich auch in seine Regierungserklärung aufnahm.
00:10:19: Maria Popov: Dort heißt es:
00:10:20: O-Ton Brandt: Alltag ist kein schlechtes Wort, es schmeckt nach täglichem Brot. Es hat mit der Qualität des Lebens zu tun, in der sich unsere Reformen erfüllen müssen. Sie ist das Ziel unserer Arbeit.
00:10:32: *Musik*
00:10:36: Maria Popov: Und diese Idee wird von den Gewerkschaften aufgegriffen und weitergetrieben. 1972 veranstaltet die IG Metall eine Tagung unter dem Titel „Aufgabe Zukunft, Qualität des Lebens“. Bei der die Frage danach, was ein gutes Leben ausmacht, diskutiert wurde. Während also die Idee von einem guten Leben für alle sich immer mehr verbreitet, gibt es noch eine andere Entwicklung, die zeigt, so geht es nicht weiter, wir brauchen eine Veränderung. In den 60er Jahren gehört die BRD nämlich zu den Ländern in Europa, in denen die meisten Arbeitsunfälle passieren.
00:11:08: Nina Kleinöder: Also wenn man sich das mal anguckt, so ein bisschen so der Peak, der Höhepunkt war 1961 und da haben wir eine riesige Anzahl von fast drei Millionen Arbeitsunfällen in der Bundesrepublik gehabt.
00:11:21: Maria Popov: Drei Millionen Arbeitsunfälle im Jahr, das heißt, im Schnitt mehr als 8000 pro Tag. Und diese Arbeitsunfälle, die zeigen der Politik, was Gewerkschaften und Arbeiter*innen schon seit Jahren kritisieren, die Art, wie in Deutschland gearbeitet wird, ist gefährlich.
00:11:36: ,617 Nina Kleinöder: Zum Beispiel wurde 1968 dann das erste Maschinenschutzgesetz in der Bundesrepublik überhaupt erst beschlossen.
00:11:44: *Musik*
00:11:46: Maria Popov: In den 1970er Jahren folgt dann noch das Arbeitssicherheitsgesetz, das festlegt, dass Arbeitgeber Betriebsärzt*innen und andere Fachkräfte einstellen müssen, die sich um Arbeitssicherheit kümmern. Und das Betriebsverfassungsgesetz schreibt vor, dass Arbeitsprozesse menschengerecht gestaltet sein müssen. Es ist also viel in Bewegung in den späten 60er und frühen 70er Jahren. Die Arbeitsbedingungen sollen verbessert werden, Betriebe in die Verantwortung genommen werden. Und in dieser Zeit bringt die sozial-liberale Regierung ein Projekt an den Start, das die Art, wie in Deutschland gearbeitet wird, stark mitprägen wird. Das Forschungsprogramm Humanisierung des Arbeitslebens oder kurz HdA.
00:12:26: Nina Kleinöder: Ich würde sagen, es war ein sehr großes gesellschaftspolitisches Reformprogramm, das durchaus in seinen Grundfesten die Frage nach Arbeit, wie wollen wir jetzt, aber auch in Zukunft, arbeiten, ganz grundsätzlich anfassen wollte und deswegen auch dieser Begriff der Humanisierung, oft begleitet auch durch den Slogan „Im Mittelpunkt steht der Mensch“.
00:12:50: Maria Popov: Das Programm fördert Projekte in Betrieben, die die Arbeitsbedingungen vor verbessern sollen. Wie das genau aussieht, ist aber total unterschiedlich.
00:12:58: Nina Kleinöder: Es ging vor allem in einem ersten Bereich darum, überhaupt mal Schutzdaten und Richtwerte für Maschinen zu sammeln, zu entwerfen, sich über Grenzwerte zu verständigen. Denn es gab ja diese Idee in den 60er Jahren, das Maschinenschutzgesetz einzuführen, Richtwerte zu erneuern, aber oftmals fehlte auch die ganz praktische Wissensbasis dafür. Und das war eben ein großes Ziel von HdA, hier überhaupt erst mal Wissen zu generieren. Und das andere ist so ein bisschen abstrakter, nämlich ging es darum, diese neuen Produktionstechnologien von vornherein menschengerechter zu gestalten.
00:13:38: Maria Popov: Immer, wenn neue Technik am Arbeitsplatz eingeführt wird, soll also von vornherein mitgedacht werden, wie sich das auf die Menschen auswirkt, die damit arbeiten. Außerdem soll die Humanisierung der Arbeit Antworten darauf liefern, wie die Art, wie gearbeitet wird, verbessert werden kann.
00:13:52: Nina Kleinöder: Also die Frage, wie sind eigentlich Arbeitsprozesse an den einzelnen Arbeitsplätzen organisiert und welche Rolle spielen eigentlich Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Prozessen und wie können diese vielleicht auch stärker nach ihrer Meinung gefragt werden, was sie glauben, wie man ihren eigenen Arbeitsplatz nicht nur optimieren, sondern auch gesünder und für sie angenehmer oder besser gestalten könnte.
00:14:16: Maria Popov: Und ein letzter großer Punkt, wie schaffen wir es, das Wissen, das in einzelnen Betrieben gesammelt wird, zu verbreiten und im großen Stil anzuwenden?
00:14:24: Nina Kleinöder: Also wie kann man das über einzelne betriebliche Studien hinaus auch in ganze Branchen, in ganze Industrien, ja in die Arbeitswelt generell auch vermitteln?
00:14:34: Maria Popov: Eine Person, die bei der Einführung der Humanisierung der Arbeitswelt eine wichtige Rolle spielt, ist Hans Matthöfer.
00:14:40: Nina Kleinöder: Hans Matthöfer ist lange Zeit in der IG Metall vor allem in der Leitung der Bildungsabteilung aktiv gewesen, hat sich da immer wieder auch mit Fragen von Arbeitsgestaltung, Monotonie, Belastung und so weiter beschäftigt. Und er wurde dann eben ab 1974 Bundesforschungsminister.
00:15:00: Maria Popov: Gemeinsam mit dem Bundesarbeitsminister Walter Arendt, ebenfalls ein Gewerkschafter, schiebt er das Programm HdA an.
00:15:07: Nina Kleinöder: Hier kommen in der Beteiligung der beiden, das sind ja die beiden Ministerien, die letztendlich ein Zuhause für dieses Programm gebildet haben, zwei Köpfe zusammen, die ganz maßgeblich mit dieser Idee verbunden sind, die Arbeitswelt der Zukunft menschengerechter zu gestalten.
00:15:25: Maria Popov: Aber was genau sind das für Projekte, die von HdA gefördert werden?
00:15:28: Nina Kleinöder: Das waren diese Betriebsprojekte. Und die waren mitunter sehr sehr praktisch orientiert, an sehr kleinteiligen einzelnen Arbeitsplätzen, wo ein bestimmtes Problem festgestellt wurde, wo gesagt wurde, hier haben wir ein ergonomisches Problem, hier haben wir ein Lärmproblem, welche Lösungen können wir entwickeln, um das zu lösen?
00:15:46: Maria Popov: Also zum Beispiel besseren Gehörschutz für die Arbeiter*innen oder neue Arten Fabriken zu bauen, um die Lärmbelästigung zu verringern. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die Arbeiter*innen darin zu empowern, die Arbeitsbedingungen selbst mitzugestalten.
00:16:00: Nina Kleinöder: Wir haben bestimmte Quellen überliefert, wo Arbeiter hier aus einem Stahlwerk mitunter auch ganz überrascht reagierten, weil sie sagten, das ist das erste Mal, dass ich überhaupt darüber nachdenke oder gefragt werde, was das eigentlich mit mir macht, was das für gesundheitliche Konsequenzen habe, dass ich so arbeite, wie ich arbeite und welche Ideen ich vielleicht hätte, das auch zu verändern.
00:16:24: Maria Popov: In anderen Projekten wird es künstlerisch.
00:16:26: Nina Kleinöder: Das Arbeiterinnen und Arbeiter zum Beispiel auch ihre Belastungen selber zeichnen sollten, also auch neue Kommunikationsformate erprobt wurden und auch vielleicht das Unaussprechliche wie Stress und Monotonie, welche Art von Schmerz das vielleicht auch erzeugt, den man so gar nicht verbalisieren kann, auch auf anderen kommunikativen Wegen auszutauschen und hier Arbeiterinnen und Arbeiter in Gesprächskreisen, aber auch kreativen Kreisen zusammenkamen.
00:16:57: Maria Popov: Das ist doch eine richtig coole Idee. Also stellt auch mal vor, ihr setzt euch mit euren Kolleg*innen zusammen und alle malen ein Bild darüber, wie sie sich fühlen. Klingt vielleicht erst mal absurd, aber ich glaube wirklich, das kann total dabei helfen, über die eigenen Gefühle zu sprechen. Aber die Projekte in den Betrieben laufen nicht immer reibungslos ab.
00:17:15: Nina Kleinöder: VW war in den 70er Jahren auf unterschiedliche Weise an HdA-Projekten auch durchaus mit großem Volumen beteiligt, da ging es einerseits darum, so eine klassische technologische Innovation zu begleiten, nämlich die Einführung von Robotern in der Produktion, aber es ging eben auch darum, neue Formen der Arbeitsorganisation, also der Gruppenarbeit zu erproben. Und speziell in diesem Projekt kam es zum Beispiel zwischen Gewerkschaftern, vor allem dem Betriebsrat, und der Unternehmensleitung zu sehr sehr starken Reibungen.
00:17:52: *Musik*
00:17:54: Maria Popov: Die Unternehmensleitung will, dass möglichst produktiv gearbeitet wird und möchte die Rahmenbedingungen dafür vorgeben. Der Betriebsrat will mehr Mitbestimmung für die Beschäftigten. Der Streit zwischen den beiden Parteien lief so aus dem Ruder, dass das Projekt im Unternehmen letztlich ohne Abschlussbericht eingestellt wurde. Ein Problem der HdA-Projekte ist, dass die Ideen, wie der eigene Arbeitsplatz humaner gestaltet werden kann, nicht nur aus den Betrieben selbst kommen, zum Teil überlegen sich Menschen, die zu Arbeitsprozessen forschen, neue Ansätze und tragen diese in Unternehmen und das wird nicht immer gut angenommen.
00:18:29: Nina Kleinöder: Es gab starke Ressentiments auch gegenüber diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich ihnen auch zu öffnen und mitunter ja auch sehr persönliche Auskünfte zu den Bedingungen am Arbeitsplatz zu äußern und hier ja auch erst mal ein gewisses Vertrauensverhältnis auch aufgebaut werden musste, was auch nicht immer geklappt hat und dass es eben oftmals Kritik daran gab, wie diese Menschen denn in den Betrieben auftreten würden.
00:18:53: Maria Popov: Es gibt aber auch viele Beispiele, bei denen die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen und Arbeiter*innen gut klappt und dabei neues Wissen, was gute Arbeit ausmacht, entsteht. Zum Beispiel als die Schichtarbeit in einem Stahlwerk verbessert werden sollte.
00:19:06: Nina Kleinöder: Hier ging es nämlich darum, dass letztendlich Soziologinnen und Soziologen Interviews zu Hause bei den Arbeitern und ihren Familien durchführten. Und dazu gehörte natürlich auch ein gewisses Maß an Vertrauensverhältnis, über persönliche Lebensverhältnisse zu berichten, Fotos vom eigenen Schlafzimmer und den Schlafbedingungen zu erlauben.
00:19:31: Maria Popov: Das Programm „Humanisierung der Arbeitswelt“ läuft 15 Jahre lang. Übrigens nicht nur in den Betrieben der großen Industrien, es gibt auch Projekte in der Textilbranche, im Handwerk, in der Gastro oder in der Büroarbeit.
00:19:43: Nina Kleinöder: Und das sind eben Bereiche, die auch unter diese 1600 Projekte fallen, wo wir gerade erst verstehen oder überhaupt anfangen, uns damit zu beschäftigen, was in den Bereichen eigentlich alles gemacht wurde. Weil bislang einfach der Forschungsfokus so stark vor allem auch auf diesen industriellen Großprojekten lag.
00:20:03: *Musik*
00:20:05: Maria Popov: Nach der Wahl 1982 wird Helmut Kohl Bundeskanzler. Die Bundesrepublik wird jetzt von der CDU/CSU und der FDP regiert. Und dieser politische Wandel ist auch bei HdA zu spüren. Das Programm läuft zwar weiter, aber mit einem neuen inhaltlichen Fokus.
00:20:21: Nina Kleinöder: Wo man sieht, dass dann ganz eindeutig dieser eine feste Baustein auch der Frage der Arbeitsorganisation und der Mitbestimmung, Fragen von Demokratisierung im Betrieb, die ja ganz stark auch noch auf diese Ideale von Willy Brandt zurückzuführen waren, mehr oder weniger über Bord geworfen wurden oder zumindest deutlich zurücktraten.
00:20:44: Maria Popov: Die Humanisierung der Arbeitswelt konzentriert sich ab den 80ern mehr auf Projekte, die sich mit Büroarbeit und der Einführung von Computern und anderen neuen Technologien beschäftigen.
00:20:55: Nina Kleinöder: Also wir finden zum Beispiel die klassischen Darstellungen, wie wir sie heute kennen aus jeder Arbeitsschutzunterweisung, wie ein Bildschirmarbeitsplatz eingerichtet zu sein hat, mit dem Blick auch in welchem Grad auf den Bildschirm gerichtet, die Sitzhöhe, die Neigung, die Einstellungen, diese Abbildungen finden wir in den Programmberichten und in der Begleitforschung auch in den 80er Jahren zu diesen Computerarbeitsplätzen.
00:21:19: Maria Popov: Bis 1989 läuft die „Humanisierung der Arbeitswelt“ noch weiter.
00:21:23: Nina Kleinöder: Das Programm selber wurde offiziell nie beendet, sondern es wurde letztendlich zu Beginn der 1990er Jahre dann in ein neues Programm überführt. Also HdA lebte im Kern schon eigentlich weiter, aber unter einem ganz neuen Titel und dieser Titel war letztendlich auch inhaltlich programmatisch, denn das Programm hieß „Arbeit und Technik“ und hatte eigentlich ein ganz anderes Gesicht und auch eine ganz andere Stoßrichtung als das, wovon HdA einmal ausgegangen war.
00:21:54: Maria Popov: Der menschengerechte Part verschwindet aus dem Titel des Programms und spielt auch in den Forschungsprojekten keine so große Rolle mehr. 1996 wird es eingestellt.
00:22:03: *Musik*
00:22:06: Das Programm „Humanisierung der Arbeitswelt“ hat 15 Jahre lang beeinflusst, wie sich unsere Arbeitswelt entwickelt hat. Dafür wurden 1,4 Milliarden D-Mark bereitgestellt, ganz schön viel Geld.
00:22:17: Nina Kleinöder: Das ist natürlich für so ein Forschungsprogramm erst mal viel und das waren ja auch viele Projekte, man muss es aber auch ein bisschen in ein Verhältnis zu sonstiger Forschungsförderung setzen. Und wenn man sich das mal anguckt, ist ein guter Vergleich die Kernforschung, die ja parallel in diesem Zeitraum ganz massiv aufgestockt wurde. Und hier haben wir zum Beispiel, wenn wir uns die Kernenergie angucken, wenn wir alleine in das Jahr 1982 gucken, wurden hier 2,3 Milliarden D-Mark nur in diesem Jahr für die Kernforschung verausgabt.
00:22:52: Maria Popov: Wir wollten von Nina Kleinöder wissen, was heute von dem Programm noch übrig ist.
00:22:56: Nina Kleinöder: Was wir oft gefragt werden, wurde denn jetzt humanisiert? Also ist jetzt mit dem Programm unsere Arbeitswelt humaner geworden? Und aus einer historischen Sicht, empirisch können wir das nicht messen... Es gibt viele Einzelbeispiele für Betriebe, wo ganz individuell an vielen kleinen Arbeitsplätzen ganz praktische Verbesserungen erzielt wurden, es gibt große Projekte, die sehr ambitioniert waren, die gescheitert sind, wo man sagen kann, aber auch das war vielleicht ein Ergebnis des Trial-and-Error-Prozesses, um festzustellen, was geht, was aber vielleicht auch nicht geht. Auch das hat ja gewiss einen Lerneffekt. Und was ich glaube. ist, diese Idee über so viele Jahre die Frage immer mit einzubeziehen, wenn es zu Neuorganisation von Produktionsverhältnissen, von Zusammenarbeit, von Büroarbeit ging, diese Frage zu stellen und wo ist der Mensch und wie können wir ihn berücksichtigen und welche Rolle spielt er? Dass das schon eine Idee ist, die hier fest implementiert wurde und zumindest eine wichtige Größe geworden ist, die in nicht allen Bereichen, aber vielen Bereichen mitgedacht wurde.
00:24:09: Maria Popov: Aktuell verändert sich unsere Arbeitswelt wieder enorm, zum Beispiel durch KI. Nina Kleinöder findet, dass ein Blick in die Geschichte dabei helfen kann, sich angesichts solcher Veränderungen nicht ohnmächtig zu fühlen.
00:24:21: Nina Kleinöder: Ich glaube, das wichtigste, was wir aus HdA mitnehmen können, ist die Erkenntnis, Wandel ist gestaltbar. Also diese Technologie kommt nicht automatisch über uns oder ist da, sondern es ist eben auch eine Frage, wie wir mit dieser neuen Technologie umgehen.
00:24:39: *Musik*
00:24:43: Maria Popov: Damals wie heute bleibt die Forderung, Arbeit gut zu gestalten. Wie ist der Stand heute fast 30 Jahre nach Ende des Projekts „Humanisierung der Arbeit“? Das wollten wir von Rolf Schmucker wissen.
00:24:54: Rolf Schmucker: Ich arbeite beim Deutschen Gewerkschaftsbund, ursprünglich habe ich Politik studiert und beschäftige mich beim DGB jetzt mit der Qualität der Arbeit in Deutschland.
00:25:05: Maria Popov: Der DGB führt nämlich seit 18 Jahren einmal im Jahr eine Befragung durch, bei der Menschen davon erzählen, wie sie ihre Arbeit empfinden. Geht es ihnen gut, arbeiten sie für ihren Geschmack zu wenig, zu viel oder genau richtig, was für Sorgen haben sie? Diese Ergebnisse werden ausgewertet und dann im „Gute-Arbeit-Index“ zusammengefasst.
00:25:21: Rolf Schmucker: Das ist eine repräsentative Befragung. Wir haben dadurch am Ende ein Ergebnis, mit dem wir sagen können, das bildet etwa die Realität der Arbeitswelt in Deutschland ganz gut ab.
00:25:32: Maria Popov: Die Frage danach, wie gute Arbeit aussieht, das ist einfach ein elementarer Bestandteil der Gewerkschaften. Nachdem das Programm zur „Humanisierung der Arbeit“ allerdings ausgelaufen war, hat die Politik angefangen, das Thema immer mehr zu ignorieren.
00:25:44: Rolf Schmucker: Im Gegenteil, dass es eher Tendenzen gab zu sagen, naja wir müssen Arbeit schaffen, aber egal wie die Arbeitsbedingungen sind, Hauptsache Arbeit, war damals so ein Stichwort. Und dann haben die Gewerkschaften überlegt, was kann man sozusagen dem entgegensetzen, um zu sagen, es geht nicht nur um irgendeine Arbeit, sondern es geht darum, dass die Menschen gute Arbeitsbedingungen haben.
00:26:02: Maria Popov: 2013 wurde dann das Institut DGB Index Gute Arbeit gegründet und das forscht bis heute dazu, was es für gute Arbeit braucht. Wir wollten von Rolf Schmucker wissen, wie gerade junge Menschen ihre Arbeitsbedingungen empfinden.
00:26:15: Rolf Schmucker: Zwischen 0 und 100 Punkten kann man am Ende des Fragebogens erreichen. 0 Punkte würden bedeuten, das sind katastrophale Arbeitsbedingungen, so will keiner arbeiten, 100 Punkte wäre der Idealzustand. Und wir sehen über die Jahre, dass wir uns im Gesamtdurchschnitt etwa immer bei so 65/64 Punkten bewegen, also in so einem mittleren Bereich. Wenn man das jetzt nach Altersgruppen differenziert anschaut, dann sieht man, dass da gar keine großen Unterschiede sind. Also jüngere Menschen und ältere Menschen kommen bei der Bewertung ihrer Arbeit im Durchschnitt auf denselben oder einen ähnlichen Wert. Das heißt, das, was ja häufig auch diskutiert wird, dass es so große Generationenunterschiede gibt mit Blick auf die Arbeit, ist zumindest in der Bewertung der eigenen Arbeitssituation bei uns nicht sichtbar.
00:26:58: Maria Popov: Viel entscheidender als das Alter ist, in welcher Branche man arbeitet und welche Qualifikationen man mitbringt. Eine Sache, die Rolf Schmucker und seine Kolleg*innen dabei beobachtet haben, ist, wieviele Menschen sich von ihrer Arbeit gestresst fühlen.
00:27:10: Rolf Schmucker: Wir haben im Grunde genommen seit Beginn der Befragung ein ganz großen, ich sage mal, einen Brennpunkt bei der Arbeitsqualität und das ist die hohe Arbeitsintensität, von der viele Beschäftigte berichten. Also das heißt, Antworten auf die Frage, ob man häufig unter Zeitdruck arbeiten muss, sich bei der Arbeit gehetzt fühlt, ob man widersprüchliche Anforderungen bei der Arbeit hat, ob man eine zu große Arbeitsmenge bewältigen muss für die Arbeitszeit, die man da zur Verfügung hat. Bei diesen Punkten haben wir über die Jahre hinweg sehr hohe Werte, also sehr hohe Zustimmungswerte, dass das der Fall ist, das ist ein Problem auch im Zusammenhang, wenn man an die vielen psychischen Erkrankungen denkt, die in den vergangenen 20 Jahren ja auch stark zugenommen haben. Ich bin überzeugt, dass die Arbeit, die Arbeitswelt ein wichtiger Faktor dabei sind, dass mehr Menschen psychisch erkranken.
00:28:00: Maria Popov: Auch die Frage danach, ob neue Technologien die Arbeit der Menschen eher erleichtern oder komplizierter machen, wird im Index abgefragt.
00:28:08: Rolf Schmucker: Es wird häufig darüber diskutiert, ob mit der Digitalisierung der Arbeit nun eher Chancen oder Risiken verbunden sind, beides steckt potenziell da mit drin. Und genau das haben wir aufgegriffen und haben in den Befragungen die Beschäftigten danach gefragt, inwiefern das in ihrem Bereich eher als Chance oder als Risiko ankommt. Und wir haben, und das war auch für uns erstmals überraschend, ganz überwiegend eine Bewertung der neuen Technologie in der Arbeit, die eher kritisch war. Also eine Mehrheit der Beschäftigten, die gesagt hat, naja sie haben den Eindruck, dass durch den Einsatz der digitalen Technik ihre Arbeitsbelastung eher höher geworden ist als geringer, dass sie mehr zu tun haben, dass es auch viele Störungen und Unterbrechungen gibt, die mit der Technik verbundne sind. Und das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Hinweis, denn es geht ja nicht darum, dass jetzt die Technik an sich Dinge verschlechtert, sondern die Frage, wie sie eingesetzt wird, ganz entscheidend ist. Und offensichtlich wird sie derzeit in vielen Bereichen nicht so eingesetzt, dass sie zu einer Erleichterung der Arbeit oder zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt.
00:29:12: Maria Popov: Zum Schluss wollten wir noch von Rolf Schmucker wissen, was gute Arbeit für ihn ganz persönlich bedeutet.
00:29:18: Rolf Schmucker: Die Frage der Selbstbestimmung ist ein ganz wichtiger Punkt für meine Arbeit. Ich finde wichtig, dass Arbeit auch eine gesellschaftliche Bedeutung hat, also dass man eine Tätigkeit macht, wo man davon ausgehen kann, dass sie einen gesellschaftlichen Nutzen hat und nicht, es gibt ja auch die Debatte um Bullshit-Jobs, also Tätigkeiten, wo sich die Beschäftigten selber fragen, warum mache ich das eigentlich und ist das unbedingt nötig, das zu tun? Und ich möchte eine Arbeit machen, die mich nicht krank macht, sondern im günstigsten Fall eher noch im Gegenteil dazu beiträgt, dass ich mich wohlfühle und dass ich gesund dabei bin.
00:29:50: *Musik*
00:29:53: Maria Popov: In den 1970er Jahren hat das Projekt „Humanisierung der Arbeitswelt“ ganz vielen Betrieben die Möglichkeit geboten, selbst herauszufinden, wie die Arbeitsbedingungen vor Ort besser und menschengerechter gestaltet werden können. Im Bereich Arbeitsschutz hat sich seitdem einiges verbessert. Aber wenn es um die Arbeitsbelastung geht oder darum, ob man eher hoffnungsvoll oder mit Sorgen in die Zukunft schaut, dann gibt es noch einiges zu verbessern. Eine Regierungspartei, die fordert, dass alle Menschen mehr arbeiten sollen, ignoriert in vielen Punkten die Bedürfnisse der Menschen. Darum ist es wichtig, dass Werkzeuge wie der Index Gute Arbeit festhalten, wie es den Menschen wirklich mit ihrer Arbeit geht. Denn Arbeitsbedingungen, die gefährlich für unsere körperliche und psychische Gesundheit sind, müssen abgeschafft werden. Wie seht ihr das? Was macht gute Arbeit für euch aus? Schreibt uns das doch gerne mal in die Kommentare zu dieser Folge.
00:30:50: *Musik*
00:30:54: Das war „Geschichte wird gemacht“. Abonniert den Podcast, um keine Folge zu verpassen. Wenn euch der Podcast gefällt, dann freuen wir uns sehr, wenn ihr uns eine Bewertung da lasst. „Geschichte wird gemacht“ ist eine Produktion von hauseins im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Ich bin eure Host Maria Popov. Redaktion: Katharina Alexander für hauseins und Dieter Purgin für die Hans-Böckler-Stiftung. Produktionsleitung: Stefanie Groth. Schnitt und Sounddesign: Joscha Grunewald. Tschüss und bis zum nächsten Mal.
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