„Der Kampf um unseren Betrieb hat begonnen“ – Die Besetzung des Stahlwerks Hennigsdorf

Shownotes

Nach der Wende versprach der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, die neuen Bundesländer würden bald zu wirtschaftlich „blühenden Landschaften“ werden. Heute wissen wir: das hat nicht geklappt. Viele Betriebe wurden geschlossen, Millionen Menschen verloren ihre Jobs. Doch die Arbeiter*innen aus Ostdeutschland nahmen diese Veränderungen nicht einfach so hin. Stattdessen kämpften sie für ihre Betriebe und für Mitbestimmung.

Christiane Gartz war Sekretärin des Betriebsratsvorsitzenden, als Stahlwerker*innen in Hennigsdorf 1991 ihr Werk besetzten. In dieser Folge erzählt sie von den Protest, aber auch davon, was das Stahlwerk für sie bedeutet.

Außerdem berichtet Historiker Jakob Warnecke aus seiner Forschung zum Stahlwerk und zu den Verkäufen von Betrieben durch die Treuhand.

„Geschichte wird gemacht” ist eine Produktion von Hauseins im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.    Host: Maria Popov  Redaktion: Katharina Alexander für Hauseins und Dieter Pougin für die Hans Böckler Stiftung    Produktionsleitung: Stefanie Groth   Schnitt und Sounddesign: Joscha Grunewald 

Links und Hintergründe

*** Weitere Folgen "Geschichte wird gemacht" zum Thema ***

Transkript anzeigen

00:00:23: Hey, ich bin Maria und ihr hört Geschichte wird gemacht.

00:00:29: Ich wohne in Berlin und manchmal vergesse ich im Alltag, wie viel Geschichte eigentlich in dieser Stadt steckt.

00:00:35: Der Stadtteil, in dem ich heute wohne, gehörte früher zum Beispiel zu Ostberlin.

00:00:40: Und ich finde, das ist eine total krasse Vorstellung, dass die Menschen, die hier vor sechs und dreißig Jahren gelebt haben, sich nicht einfach frei in der Stadt bewegen konnten.

00:00:49: Am neunten November, neunzehnhundertneunundachtzig, ist dann die Mauer gefallen.

00:00:56: Deutschland wurde wieder vereint und die Menschen hatten wieder die Möglichkeit,

00:01:00: sich

00:01:01: frei in der Stadt und im ganzen Land zu bewegen.

00:01:04: Die Stimmung muss damals ziemlich aufgewühlt gewesen sein.

00:01:08: Einerseits gab es so viel Freiraum, Möglichkeiten und neue Chancen.

00:01:12: Gleichzeitig aber viel Unsicherheit, Misstrauen und Leerstand.

00:01:19: Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hatte nach der Wiedervereinigung eigentlich versprochen,

00:01:24: Die Einführung der sozialen Marktwirtschaft spielt Ihnen alle Chancen.

00:01:29: Ja, ich sage bewusst, die Gewehr dafür, dass Mecklenburg und Vorpommern, Sachsen und Anhalt, dass Brandenburg, Sachsen und Thüringen bald wieder blühende Landschaften, wirtschaftlich blühende Landschaften in Deutschland sein werden.

00:01:43: Blühende Landschaften.

00:01:45: Das Zitat ist in die Geschichtsbücher eingegangen.

00:01:49: Aus heutiger Sicht wissen wir aber, dieses Versprechen wurde nicht eingehalten.

00:01:56: Stattdessen mussten im Zuge der Wiedervereinigung sehr viele Betriebe in den neuen Bundesländern schließen.

00:02:02: Bis nineteenhundertzweiundneunzig verloren mehr als eine Million Menschen ihre Jobs.

00:02:07: Mehr als fünfzehn Jahre nach der Wiedervereinigung war immer noch jede fünfte Person im arbeitsfähigen Alter in Ostdeutschland arbeitslos.

00:02:15: Und bis heute verdienen Menschen in den damaligen DDR-Bundesländern fast zwanzig Prozent weniger als in Westdeutschland.

00:02:23: Wenn man das so hört, klingt es ganz schön frustrierend.

00:02:27: Es war aber nicht so, als hätten die Menschen in Ostdeutschland diese Entwicklung einfach so hingenommen.

00:02:32: Es gab immer wieder Proteste und Arbeitskämpfe, Menschen, die sich zusammengetan haben, um für ihre Rechte und ihre Betriebe zu kämpfen.

00:02:41: Und um einen Ort, an dem so ein Kampf das Schicksal einer ganzen Stadt verändert hat, um den geht's heute.

00:02:48: So, ich bin jetzt gerade in Hennigsdorf angekommen

00:02:51: und laufe zum Stahlwerk.

00:02:56: Hennigsdorf

00:02:57: ist die Endstation von einer S-Bahn-Station.

00:02:59: Das ist aus Berlin gar nicht so schlecht zu erreichen.

00:03:02: Das ist meine Kollegin Katharina, die Redakteurin von diesem Podcast.

00:03:06: Ich bin kurz durch die Innenstadt spaziert.

00:03:10: Das sieht sehr

00:03:12: typisch aus für seinen Brandenburgischen

00:03:14: Ort.

00:03:14: Dann ging es durch Wohngebiete und

00:03:17: es gibt hier einen großen Rugby-Sportplatz.

00:03:22: Jetzt sieht es hier um mich herum mehr

00:03:24: nach Industriegebiet

00:03:25: aus.

00:03:26: Ich glaube, ich bin auf einem richtigen Weg.

00:03:29: Katharina ist auf dem Weg zum Stahlwerk Hennigsdorf.

00:03:32: Das Werk gibt es schon seit über hundert Jahren.

00:03:35: Im Moment läuft es allerdings nicht so gut.

00:03:38: Seit Anfang des Jahres ist ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit.

00:03:42: Im Mai lief die Produktion zwar kurzzeitig an, wurde aber nach wenigen Wochen wieder gestoppt.

00:03:48: Also ich habe auch eigentlich eine böse Ahnung.

00:03:53: Aber es ist was zum Jahresende, was da passiert.

00:03:56: Das ist Christiane Garz.

00:03:58: Katharina hat sie in Hennigsdorf getroffen.

00:04:00: Heute ist Christiane Garz in Rente.

00:04:03: Aber das Stahlwerk, das bedeutet ihr immer noch sehr viel.

00:04:06: Ab Mitte Mai, siebzig bis Dezember, zwei Tausend Achtzehn, habe ich im Stahlwerk gearmitet.

00:04:17: Über zweiundvierzig Jahre also.

00:04:20: Für mich ist das fast nicht vorstellbar, dass Menschen so lange in einem Betrieb bleiben.

00:04:25: Aber so wie Christiane Garz, geht es vielen Menschen in Hennigsdorf.

00:04:28: Sie haben im Stahlwerk ihre Ausbildung gemacht, sind später aufgestiegen und bis zur Rente geblieben.

00:04:34: Auf die Frage, was das Stahlwerk ihr bedeutet, antwortet sie.

00:04:38: Eigentlich muss ich sagen, mein halbes Leben.

00:04:43: Christiane Garz ist eine offene, zugewandte Frau, die Pakete für ihre Nachbarinnen annimmt und mit ihnen im Hausflur plaudert.

00:04:50: Im Stahlwerk hat sie über die Jahre unterschiedliche Jobs gemacht.

00:04:53: Erst war sie Elektronik-Facharbeiterin, später Sekretärin und letztendlich Betriebsräten.

00:04:59: Zeitweise kannte sie die Namen von sieben Hundert Beschäftigten auswendig.

00:05:03: Das war so ein Plin von mir, muss ich mal sagen, weil sie immer zu mir gesagt hat, ich glaube, du kennst alles.

00:05:10: Wenn ich zum Fenster runtergeguckt hab, da war der Pikeplatz, da wusste ich auch, das Auto steht da, das gehört dem, da wusste ich, welche Schicht da ist.

00:05:20: Wir haben Christiane Gards, aber nicht nur Besuch, weil sie sich so guten Namen merken kann.

00:05:24: Sie war hautnah dabei, als die Arbeiterinnen kurz nach der Wende das Stahlwerk Hennigsdorf besetzt haben, um sich gegen die Treuhand zu wehren.

00:05:35: Versprechungen müssen eingehalten werden, Versprechungen dürfen nicht getroffen werden.

00:05:39: Wir wollen unser eigenes Bekämpfen werden.

00:05:42: Gehen rechtsruf mit der Rietorganisierung des Soziales Deutschen.

00:05:47: So klang die Proteste damals am Stahlwerk.

00:05:49: Der Ausschnitt stammt aus dem Beitrag, Arbeitskampf von der ARD aus.

00:05:55: Und ihr hört es hier schon, die Arbeiterinnen des Stahlwerks, die waren richtig sauer.

00:06:01: Sie schlossen die Tore, fuhren die ganzen Öfen auf Sparflamme runter, verteilten Wachen herum um die großen Tore und ließen niemanden hinein.

00:06:13: Das ist Jakob Warnickel, er ist Historiker an der Uni Potsdam und hat zum Stahlwerk Hennigsdorf und den Protesten nach der Wende geforscht.

00:06:21: Bevor wir aber mehr über die Besetzung des Stahlwerks hören, müssen wir erst einmal ein paar Jahre zurückgehen.

00:06:27: Wir wollten von Jakob Warnickel wissen, wie man sich Hennigsdorf und die Arbeit im Stahlwerk vor der Wende vorstellen kann.

00:06:34: Man nahm dieses Werk überall in der Stadt wahr.

00:06:37: Man hat die Emissionen gerochen gesehen.

00:06:43: Man hat in der Stadt wahrgenommen, wenn die Leute von der Schicht kamen oder zur Schicht gefahren sind, an zentralen Plätzen.

00:06:50: Teilweise waren ganze Familien in den Werken beschäftigt.

00:06:53: Man kann schon sagen, dass das Werk die Stadt geprägt hat, eben und auch umgekehrt.

00:06:59: Aber das Stahlwerk ist zu DDR-Zeiten nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch der soziale Mittelpunkt von Hennigsdorf.

00:07:05: Sie stellten Kindergärten, sie organisierten... Das Kulturangebot, das Stahlwerk hat zum Beispiel ein eigenes Kulturhaus.

00:07:15: Es gab Betriebssport, Hennigsdorf war für seine Rakbymannschaft bekannt.

00:07:21: Und das schweißt zusammen.

00:07:22: Für Christiane Gards und ihren Mann war das Stahlwerk und die Menschen, die sie dort kennengelernt haben, lange Zeit so etwas wie der Mittelpunkt ihres Soziallebens.

00:07:31: Ich treffe mich heute noch mit ehemaligen Kollegen.

00:07:35: Leider sind viele nicht mehr da, von einer Zehner- oder Zwei-Wertruppe.

00:07:39: Wir sind nur noch vier, die übrig geblieben sind.

00:07:43: Ja, wir sind mal ins Club.

00:07:46: Etwas kann ich mich erinnern.

00:07:47: Wir sind herrlich zum Rosenmontag gegangen.

00:07:51: ins Stahlwerkclubhaus.

00:07:53: Oh Gott, und dann den nächsten Tag arbeiten.

00:07:55: Das war manchmal ganz schön schwierig.

00:07:57: Vor der Wende arbeiten achttausend fünfhundert Menschen im Stahlwerk.

00:08:01: Etwa ein Drittel von ihnen sind Frauen.

00:08:03: Im Vergleich dazu, zur gleichen Zeit lag der Frauenanteil in Stahlwerken in Westdeutschland bei sieben Prozent.

00:08:10: Viele Frauen waren in den umliegenden Einrichtungen, den Sozialenrichtungen beschäftigt, beispielsweise in der Kantine oder in der Kinderbetreuung.

00:08:21: Aber auch als Kranfahrerin, als Laborantinnen, ja, oder auch direkt in der Produktion.

00:08:27: Eine dieser Frauen ist Christiane Garz.

00:08:30: Ich war zwanzig dann schon, als ich im Stallwerk angefangen hatte und habe im Walzwerk, ich habe ursprünglich mal in Riesa Elektronikfacherweider gelernt.

00:08:41: Und da war es natürlich schwierig in der Produktion, bei den Elektronikern zu bestehen und aus Sachsen.

00:08:48: Die haben mich immer geärgert, sagt er noch mal Lötkohl.

00:08:53: Ja, das war immer, hat mich immer so drüber geärgert, aber naja.

00:08:57: Und da musste man sich aber durchboxen.

00:08:59: Der Ton in der Produktion ist teilweise ganz schön rau.

00:09:02: Aber Christiane Garz gewöhnt sich an die Dovensprüche und fühlt sich immer wohler in Hennigsdorf.

00:09:08: Ein Jahr nachdem sie im Stallwerk angefangen hat, wird ihr Sohn geboren.

00:09:12: Und dann war es schwierig, mein Mann hat Schicht gearbeitet, im Waldwerk weiter bei den Elektroniker zu arbeiten und ich hatte schon wieder mal Glück.

00:09:23: Denn ihr Vorgesetzter weiß, dass sie Schreibmaschine schreiben kann.

00:09:26: In der Elektrik wurde eine Stelle als Sekretärin frei und da wurde ich in die Abteilung gerufen und man hat mit mir gesprochen, ob ich das machen würde.

00:09:37: Also fängt Christiane Garz an, als Sekretärin zu arbeiten.

00:09:41: Diesen Job macht sie für die nächsten dreizehn Jahre bis zur Wende.

00:09:44: Ab da verändert sich alles in Hennigsdorf.

00:09:49: So klangen die

00:09:50: Nachrichten

00:09:52: über die

00:09:53: Grenzöffnung damals am zehnten November, neunzehnundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund Spinnen die alle oder was?

00:10:39: Ich habe das gar nicht so richtig für barre Münze genommen.

00:10:42: Und als mein Mann von Arbeit kam, da sagt er zu mir, du hast du schon gehört, die haben auf Arbeit bei irgendwas gemunkelt, die zur Nachtschicht, die kommen sind.

00:10:52: Da müssen wir mal noch ein bisschen, noch mal ein bisschen gucken.

00:10:56: Ja, und man konnte ja hier Westfernsehen gucken.

00:10:59: Hennigsdorf legt schließlich direkt hinter der Berliner Stadtgrenze.

00:11:03: Da haben wir gedacht, das kann er eigentlich.

00:11:05: gar nicht möglich sein.

00:11:06: Wir haben nicht so richtig dran geglaubt.

00:11:08: Und am nächsten Morgen, als ich zur Arbeit gefahren bin, da war die halbe Werkstatt leer.

00:11:13: Ich habe gesagt, wo sind die denn alle?

00:11:15: Und meine Kollegen sagten, die versuchen alle, irgendwie über die Grenze zu kommen, weil man gehört hat.

00:11:22: Man kann jetzt mit dem Ausweis rüber.

00:11:25: Einen Tag später fährt auch Christiane Garz mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Berlin.

00:11:30: Wir hatten bekannte in Westberlin, mit denen hatten wir telefoniert und sind dann rübergefahren.

00:11:40: Ja, es war spannend.

00:11:42: Und dann waren wir plötzlich am Leopoldplatz bei Karstadt.

00:11:46: Ich dachte, ich wäre verrückt.

00:11:49: So ein Überangebot an Waren, ein Kaufhaus, in dem die Regale bis oben hinvoll sind, das gab es in der DDR nicht.

00:11:55: Aber für Christiane Gards und ihrer Familie kommt es trotzdem nicht in Frage, aus Hennigsdorf wegzuziehen.

00:12:02: Wir hatten alles, was wir brauchten, ja.

00:12:05: Dabei kommen jetzt erst die richtig großen Veränderungen auf Hennigsdorf, das Stahlwerk und auch auf Familie Garz zu.

00:12:11: Naja,

00:12:12: ab einem Jahrhundert wurde die Treuhand aktiv und die hatte als Einrichtung, den Finanzministerium und der Geordnete Einrichtung den Auftrag, die ganzen DDR-Betriebe abzuwickeln.

00:12:30: Denn in der sozialistischen DDR sind die Betriebe Staatseigentum und wurden planwirtschaftlich gelenkt.

00:12:36: Das heißt, es wird nicht nach Nachfrage produziert, sondern der Staat plant, wie viel zu welchem Zeitpunkt produziert werden sollte.

00:12:45: Und da das jetzt in der freien Marktwirtschaft beziehungsweise im Kapitalismus natürlich anders läuft und auf Privateigentum gesetzt wurde, hatte die Treuhand die Aufgabe, die Privatisierung dieser ehemaligen DDR-Betriebe voranzutreiben.

00:13:01: Christiane Garz erinnert sich, dass sie sich in den ersten Monaten nach der Wende trotz all der Veränderung zuversichtlich fühlte.

00:13:08: Wir waren vielleicht manchmal auch von einer falschen, wie soll ich das ausdrücken, von einer falschen Euphorie geleitet.

00:13:17: Wir haben gedacht, die Außenwesten werden jetzt über uns herfallen und alle wollen uns kaufen.

00:13:24: Das war ja ein Trugschluss, so war es ja gar nicht wahr.

00:13:27: Denn im Vergleich zu vielen Fabriken in Westdeutschland sind die Maschinen in den ehemaligen Ostbetrieben ziemlich veraltet.

00:13:34: Darum lohnt es sich, aus Sicht der Treuhand nicht immer, die Betriebe zu verkaufen.

00:13:38: Viele werden auch einfach dichtgemacht.

00:13:40: In den ersten Jahren gab es dann die ersten Arbeitslosen.

00:13:43: Arbeitslosigkeit war ein Phänomen, das kannte man in der DDR nicht.

00:13:46: Man hat lieber die Leute im Betrieb beschäftigt und hat ihnen irgendwas gegeben, als dass sie dann irgendwie arbeitslos.

00:13:53: Das gab es einfach nicht.

00:13:54: Und das war ein neues Phänomen.

00:13:56: Und das macht vielen Menschen Angst.

00:13:58: Ja, man hatte immer, hoffentlich geht es weiter, dass man Arbeit hat.

00:14:04: Dann hat man schon rumgespannter, gehen wir zu all die Kisten auspacken und so.

00:14:09: Das wäre ja aber auch nicht die Erfüllung gewesen.

00:14:12: Ab Frühjahr, das Stahlwerk Hennigsdorf von der Treuhand verwaltet.

00:14:17: Das Erste, was die Treuhand jetzt gemacht hat, war zu schauen, ob der Betrieb überhaupt überlebensfähig ist.

00:14:24: Denn auch wenn große Teile des Stahlwerks im Vergleich zu westdeutschen Produktionsstätten ganz schön runtergerockt sind, gibt es in einem Teil, dem Elektrostahlwerk, Maschinen, die relativ modern sind und noch gute Arbeit leisten.

00:14:38: Also erstmal eine gute Nachricht.

00:14:39: Der Betrieb wird nicht geschlossen.

00:14:46: Aber die kulturellen und sozialen Einrichtungen, die vorher zum Stahlwerk gehörten, der Kindergarten, das Kulturhaus, das Jugendzentrum, die werden dichtgemacht.

00:14:57: Gleichzeitig werden viele Menschen aktiv.

00:15:00: Sie sagen, wir wollen mitbestimmen, was in unserem Betrieb in unserer Stadt passiert.

00:15:04: Einer von ihnen ist Peter Schulz.

00:15:07: Peter Schulz ist derjenige, der Kontakt aufgenommen hat zu den Betriebsräten in West-Berlin.

00:15:15: Peter Schulz war in der Hennigsdorfer Bürgerversammlung aktiv und hat eben auch die Initiative Betriebsraten gegründet.

00:15:24: Christiane Garz kennt Peter Schulz durch ihre Arbeit als Sekretärin in der Elektrik.

00:15:29: Damals ist er Abteilungsleiter.

00:15:31: Peter war ein ruhiger Mensch, der sehr genau war und in Ehrgeiz hatte, immer alles richtig machen zu wollen, was ja eigentlich jeder von sich beanspruchen sollte.

00:15:46: Er war nach meiner Entschätzung eine sehr engagierte Person, langjährig im Betrieb.

00:15:53: in der Zeit schon um die fünfzig gewesen sein und hat dort einiges vorhin getrieben.

00:16:00: Und es ist Peter Schulz, der sich sehr dafür einsetzt, dass im Stahlwerk Betriebsratswahlen stattfinden.

00:16:06: Im August neunzehntundundneunzig wird dann der erste Betriebsrat gegründet, mit Peter Schulz als Vorsitzendem.

00:16:13: Und es gibt viel zu tun, denn die Verhandlungen um das Stahlwerk laufen weiter.

00:16:17: Zuerst hat Peter Schulz aber ein anderes Problem.

00:16:21: Seine Sekretärin hat gekündigt.

00:16:23: Die hat von Peter Schulz gesagt gekriegt.

00:16:25: Ja, dann bringen wir aber Ersatz, aber eine, die nicht bei jedem Windzug hier gleich umfällt.

00:16:31: Und irgendwie hat sie dann an mich gedacht.

00:16:33: Und dann hat mein Mann zu mir gesagt, macht das, wenn du das möchtest.

00:16:39: Und dann habe ich aber auf den nächsten Morgen noch mal mit meinem Bereichsleiter, mit meinem Chef gesprochen.

00:16:45: Und der hatte selber zu mir gesagt, sag doch, greif zu, ihr überlebt hier nicht alle drei.

00:16:51: Ihr erinnert euch, die Angst um die Arbeitsplätze beschäftigt damals fast alle im

00:16:59: Betrieb.

00:17:19: Ab da ist Christiane Gart, Sekretärin des Betriebsratsvorsitzenden.

00:17:24: Sie schreibt Briefe und nimmt Telefonate entgegen.

00:17:27: Vor allem aber ist sie bei allen wichtigen Sitzungen mit dabei, um Protokoll zu schreiben.

00:17:32: Am Anfang irritiert sie die Zusammenarbeit mit der IG Metall noch etwas.

00:17:36: Und man war natürlich am Anfang, zumindest ich, war erst ein bisschen misstrauisch.

00:17:42: Bis ich dann aber mehr in die Situation eingebunden war.

00:17:48: Dann habe ich gedacht, das ist eine gute Sache.

00:17:52: Man hat Mitschwarre recht, man kann ein bisschen was verhandeln.

00:17:56: Und das war ja auch mit den ganzen Gesprächen, die damals mit der IG Metall und dem Betriebsrat in der Treuhand geführt wurden.

00:18:05: Ohne IG Metall wäre es, glaube ich, gar nicht gegangen.

00:18:08: Denn im Laufe des Sommers sind die Verhandlungen zwischen Betriebsrat, Geschäftsführung und Treuhand härter geworden.

00:18:14: Das Handeln der Treuhand war vor allem von Intransparenz geprägt, was diesen Verkaufsprozess anging.

00:18:21: Also Geschäftsführung, Betriebsrat wie auch die Gewerkschaft und die Belegschaft damit natürlich wurden aus diesem Prozess herausgehalten.

00:18:31: Das war einfach in der Grundanlage der Treuhand überhaupt nicht vorgesehen, dass man die eigentlich Betroffenen damit einbindet.

00:18:38: Aber der Betriebsrat ist gut vernetzt und so kriegen die Hennigsdorfer mit, dass über ihr Werk verhandelt wird.

00:18:45: Der Betriebsrat wie auch die Gewerkschaft fing dann an, eine Öffentlichkeit herzustellen und öffentlich zu fordern, dass sie mitbedacht werden mit diesen Gesprächen und hingen sich deutlich rein auf einmal.

00:19:00: Es gibt nämlich noch ein weiteres Problem.

00:19:02: Um das Stahlwerk richtig attraktiv für KäuferInnen zu machen, müsste die Treuhand einiges an Geld investieren.

00:19:09: Zeitweise wird von einundneunzig Millionen D-Mark gesprochen.

00:19:13: Dann sagte die Treuhand ... die Millionen Kredite zu, die flossen dann aber nicht.

00:19:19: Aus irgendwelchen Gründen, die erst mal für die Beschäftigten unklar waren.

00:19:23: und dann gab es eine große Betriebsversammlung.

00:19:25: Der Geschäftsführer sagte, ja, die Kredite, die zugesagt wurden, fließen nicht.

00:19:30: Die Treuhand hat uns offenbar angelogen.

00:19:34: Die Treuhand war sowieso schon in den Augen vieler ehemaliger DDR-Bürger in eigentlich das

00:19:40: übel

00:19:41: schlechthin.

00:19:43: Und so war das nicht abwegig, dass die Treuerend hier auch den Werk übeln mitspielen wollte und einfach nur gelogen hat und den Betrieb einfach verrecken lassen will.

00:19:52: So war die Deutung der Leute.

00:19:55: Und hinter dem Rücken, so erzählte es sozusagen die Zeitzeugen, hinter dem Rücken hat der Geschäftsführer den Betriebsrat gebeten, so unterstützt mich mal.

00:20:06: Ihr müsst jetzt ran.

00:20:07: Und der Betriebsrat, der versteht, was zu tun ist.

00:20:13: Die Treuhand hat uns die Hand an die Gurgel gelebt.

00:20:17: Alle Zusagen scheinen sich als

00:20:18: Flügen zu entpuppen.

00:20:20: Wir haben unseren Betrieb

00:20:21: vierzig Jahre,

00:20:23: trotz Diebstahl unserer

00:20:24: Gewinne durch den alten Staat, am Leben erhalten.

00:20:27: Wir lassen ihn nicht vom neuen, vertreten durch die Treuhand, Staat zerstören.

00:20:33: So steht es auf einem Flugblatt, das im Stahlwerk verteilt wird.

00:20:39: Da entstand die Idee, eine Demonstration zur Treuhand hinzuführen und wie damals, am siebzehnten Juni, in die Hauptstadt zu marschieren und für die Interessen einzutreten.

00:20:55: Am siebzehnten Juni, da gab es in der DDR einen Volksaufstand.

00:21:01: Damals sollten die Arbeitsnormen erhöht werden, also mehr Arbeit für gleichen Lohnen.

00:21:06: Diese Entscheidung und die immer stärker werdende Unterdrückung durch den Staat haben die Menschen so wütend gemacht, dass es in der ganzen DDR zu Aufständen kam, inklusive eines Marsches nach Ostberlin, an dem auch viele Arbeiterinnen aus Hennigsdorf beteiligt waren.

00:21:23: Neben den Flugblättern erscheint auch ein Artikel in der Gewerkschaftszeitung Tribüne.

00:21:28: Dort heißt es, Achtung, die Hennigsdorfer, Stahlwerkerinnen, planen einen Sturm auf die Treuhand.

00:21:35: Und in der Treuhand hat man natürlich in der Presseabteilung jeden Tag die Presse ausgewertet.

00:21:40: Man war schon in der Schusslinie, man war schon sozusagen der Blitzableiter für den Unmut der Ostdeutschen und hat die Zeitung, so stell ich es mir vor, die Zeitung aufgeschlagen und sofort rotierte man dort in der Treuhand.

00:21:56: Und man ging ihm nach, was es dann mit diesen Krediten auf sich hat.

00:22:01: Es stellte sich relativ schnell heraus, dass eigentlich die Kredite gar nicht irgendwie abgelehnt worden waren, sondern dass das irgendwo in diesem riesigen Verwaltungsapparat irgendwo fest hing.

00:22:12: Die Kredite sind also gar nicht abgelehnt, sondern nur in Bearbeitung.

00:22:15: Auf Halde.

00:22:17: In einem Zettelstapel verschwunden.

00:22:18: Die Treuhand gibt dem Betriebsrat des Stahlwerksbescheid.

00:22:22: Es kommt zu einem Treffen.

00:22:23: Die haben denen gesagt, naja, also es wird nicht abgelehnt, also dass das bei den Krediten klappt.

00:22:28: Und im Gegenzug haben die gesagt, naja, dann können wir den Marsch auch ablasen.

00:22:32: Und das fühlte sich für die natürlich richtig gut an.

00:22:35: Sie spürten sozusagen an dieser Stelle ihre Mobilisierungsfähigkeit und ihre kollektive Stärke.

00:22:43: Ich glaube, das war ziemlich wichtig in diesem Moment.

00:22:48: Also, kurzer Zwischenstand, das Stahlwerk wird von der Treuhand verwaltet und ist zumindest zum Teil modern genug, um noch am Laufen gehalten zu werden.

00:22:57: Um es für mögliche Käufer-Ende noch interessant zu machen, stimmt die Treuhand einem Investitionskredit von neunundzwanzig Millionen D-Mark zu.

00:23:06: Die westdeutschen Unternehmen sind erst mal nicht an dem Werk interessiert.

00:23:10: Aber als Daneriva ein italienischer Stahlkonzern deutlich macht, dass er das Stahlwerk gerne kaufen würde, schließen sich einige westdeutsche Unternehmen zusammen und sagen, bevor es an die ausländische Konkurrenz geht, sind wir doch bereit zu verhandeln.

00:23:25: Und die IG Metall nahm Kontakt auf zum Konsortium, wie auch zu Riva.

00:23:31: Und glichen für sich, obwohl sie gar nicht gefragt waren, von der Treuhand aus, glichen für sich erst mal ab, was für sich besser passen würde.

00:23:38: Und das für die selbstverständlich, dass sie sich da reinhängen.

00:23:40: Und es ging für sie gar nicht, dass sie rausgehalten wurden.

00:23:43: Die Treuhand hätte lieber hinter verschlossenen Türen über den Verkauf verhandelt.

00:23:47: Aber die Stahlmitarbeiterinnen sagen, das ist unser Betrieb.

00:23:51: Klar wollen wir da mitmischen.

00:23:53: Und dann gab es ab Herbst diesen wachsenden Frust wegen der mangelnden Beteiligung und diese Forderung um Beteiligung.

00:24:01: Und die Treuhand versprach bei einem dieser Treffen, wo der Betriebsrat eben schon beisitzen durfte, dass nicht entschieden wird, über den Verkauf ohne den Betriebsrat vorher zu informieren.

00:24:13: Aber dieses Versprechen, das wird gebrochen.

00:24:15: Denn die Treuhand entschied trotzdem, dass an Riva verkauft wird, obwohl Die Belegschaftsvertretung für sich beschlossen hat, dass das Deutsche Konsortium für sie besser geeignet wäre, weil sie mehr Mitarbeiterinnen übernommen hätten, weil sie für eine bessere soziale Absicherung gesorgt hätten und das Beriefer eben nicht so gesehen wurde.

00:24:40: Und man hatte uns das eigentlich zugesagt.

00:24:43: und aus dem Buschfunk, wir hatten oft im Buschfunk, hatten wir gehört.

00:24:49: Die Beratung soll doch stattfinden.

00:24:51: Und dass das an dem Tag so gemacht werden sollte, dass wir verkauft werden.

00:24:58: Und da hat Peter Schulz angerufen und ihnen gleich gesagt, ist da was Wahres dran?

00:25:05: Und dort wird ihm bestätigt, ja, wir haben dem Verkauf an Riva zugestimmt.

00:25:11: Also haben wir gesagt, wir müssen zur Treuhand.

00:25:14: Busse organisiert über die IG Metall und dann sind, glaube ich, Vier Busse, wir müssen so ungefähr zweihundert Leute gewesen sein, so Treuhand gefahren und haben dann ein bisschen Rabatz gemacht.

00:25:26: Und sie protestierten und wurden dann auch vorgelassen, wurden aber nicht in die eigentliche Versammlung des Aufsichtsrates vorgelassen, sondern wurden abgespeist aus ihrer Sicht mit Ausreden und wurden verdröstet.

00:25:40: Die Stahlwerkerinnen fahren also gefrustet wieder zurück nach Hause.

00:25:44: Auf dem Weg treffen sie die Entscheidung, so leicht werdet ihr uns nicht los.

00:25:49: Wir waren ja weg, hatten wir die Tore zugemacht.

00:25:53: Und weil das Ergebnis nicht befriedigend war, als wir abends zurück waren, haben wir gesagt, so, und jetzt lass mal zu.

00:26:05: Sie

00:26:05: schlossen die Tore, fuhren die ganzen Öfen auf Sparflamme runter, verteilten Wachen herum.

00:26:12: um die großen Tore und ließen niemanden hinein.

00:26:17: Das Stallwerk ist besetzt.

00:26:19: Ja, es war ganz schön mutig von uns, weil wir ja gar nicht abwägen konnten, was das für uns eventuell für Folgen haben kann.

00:26:27: Wir haben Christiane Garz gefragt, woher dieser Mut damals kam.

00:26:31: Weil wir entschlossen waren, wir stehen für unser Werk.

00:26:36: und lassen uns hier nicht von irgendwelchen Leuten was oft diktieren.

00:26:40: Wir wollten einfach mitbestimmen.

00:26:44: Und auch in den nächsten Tagen gönnen sich die Stahlwerker innen keine Pause.

00:26:48: Es wurde eine Pressekonferenz gemacht.

00:26:50: Der Betriebsrat gründete sozusagen so eine Art Einsatzstelle oder so ein Aktionsbüro.

00:26:56: Da vorneher auch ist das alles steuerte.

00:26:58: Die Wachen am Zaun waren mit Walkie Talkies verbunden.

00:27:03: Klar, man kannte den Betrieb.

00:27:05: Man war sehr gut organisiert.

00:27:07: Ich glaube, am ersten oder zweiten Tag war eben schon die Tagesschau vor Ort, berichtete sämtliche Zeitungen.

00:27:15: In einem kleinen Ort wie Hennigsdorf spricht sich natürlich schnell rum.

00:27:18: Am Stahlwerk, da passiert gerade was Großes.

00:27:21: Von der Bevölkerung von Hennigsdorf und auch von den Stahlwerkern selbst, als die Besetzung dann schon ein paar Tage lief.

00:27:30: Also was da alles ... Wir haben Kuchen gebacken, gekriegt, die haben uns Bockwürste gebracht.

00:27:37: Dann so eine Kursen mit Glühwein.

00:27:40: Ich weiß, ich bin nicht da dran denke.

00:27:43: Also wir hatten alles.

00:27:45: Wir sind gut versorgt worden.

00:27:46: Aber ich muss sagen, ich war vierzehn Tage so gut wieg, nicht zu Hause.

00:27:50: Aber trotzdem, es war schön.

00:27:54: Die Stahlwerkerinnern haben klare Forderungen an die treu Hand.

00:27:57: Also es ging vor allem darum, Neu zu verhandeln.

00:28:00: Es ging darum, die Beschäftigten, die nicht übernommen werden, abzusichern.

00:28:05: Eine weitere Forderung war, dass die montanen Mitbestimmung, das ist dann nochmal eine besondere Form der Mitbestimmung in Stahlwerken, das die eben weiter Bestand hat.

00:28:15: Konnte ihm nur Bestand haben, wenn sie mindestens tausend Mitarbeiterinnen hatte.

00:28:19: Zur Montanmitbestimmung haben wir schon mal eine ganze Folge gemacht.

00:28:22: Wenn ihr da also mehr zu wissen wollt, wie die erkämpft wurde und was genau sie ausmacht, dann schaut doch mal in den Shownauts vorbei, da verlinken wir sie.

00:28:31: Die Besetzung dauert fast zwei Wochen.

00:28:33: Christiane Garz erzählt, dass sie diese Zeit als totalen Ausnahmezustand erlebt hat.

00:28:38: Ich kann mich erinnern, da hatten wir, war dann schon Abend ziemlich spät.

00:28:44: gab es Glühwein und da habe ich natürlich auch mal Glühwein getrunken.

00:28:50: Und mich hat dann Wolfgang Grote nach Hause gebracht.

00:28:54: Das ist schon nach zwanzig Uhr oder wandet war.

00:28:57: Und mein Mann, der hat sich gefreut, dass ich endlich mal nach Hause kam.

00:29:00: Mein Sohn hat schon die Schlafen.

00:29:03: Stunde später klingelt.

00:29:05: Tut mir leid.

00:29:06: Ich muss dich schon wiederholen.

00:29:08: Wir müssen Sitzung machen.

00:29:09: Du musst Protokoll schreiben.

00:29:11: Ja, hat man alles gemacht.

00:29:13: Aber Christiane Garz findet zu Hause sowieso keine Ruhe.

00:29:17: Egal, wie spät es abends wird, am nächsten Morgen ist sie wieder um sechs Uhr am Stahlwerk.

00:29:22: Während die Arbeiterinnen am Stahlwerk ausharren und in Versammlungen diskutieren, gehen die Verhandlungen zwischen der Treuhand, dem Betriebsrat, der Gewerkschaft und dem Stahlkonzern Riva weiter.

00:29:33: Am Ende kam es wirklich am vierten Dezember zu einer Einigung nach einer Marathon-Sitzung von insgesamt fünfzig Verhandlungsstunden.

00:29:41: Man hat da richtig Arbeit reingesteckt.

00:29:43: Und am Ende konnte man einen Vertrag festhalten, der sagte, dass man das Rest unternehmen, also den Teil, der nicht übernommen wird, weiterführt bis Ende dein neunzig.

00:29:53: Der Vertrag hielt fest, dass Mittel zur Arbeitsförderung bereitgestellt werden, also sogenannte ABM-Projekte, dass die Tarifbindung übernommen wird, die schon bestand, dass die Montanmitbestimmung weiter bestand hat.

00:30:07: und damit eben auch die Motarmitbestimmung gesichert ist.

00:30:14: In vielen Punkten konnte sich der Betriebsrat also letztendlich durchsetzen.

00:30:18: Das Werk wird zwar weiterhin ein Riva verkauft, aber mit deutlich besseren Bedingungen für die Belegschaft als ursprünglich vorgesehen waren.

00:30:26: Dass wir das erreicht hatten, war schon für uns ein Erfolg.

00:30:32: Aber wir haben natürlich gleich, oh Gott, was macht der Rest?

00:30:37: Es waren ja auch viele Ältere, die schon ihr Leben lang, die meisten hatten ja ihr Leben lang im Stahlwerk verbracht.

00:30:46: Und das sollte dann plötzlich zu Ende sein.

00:30:52: Von über acht Tausend Angestellten vor der Wende waren nach der Übernahme durch Riva nur noch ein Tausend Fünfzig übrig.

00:31:00: Trotzdem, ohne den Protest und den Einsatz der Stahlarbeiterinnen, ohne Christiane Garz und Peter Schulz, hätten noch deutlich mehr Menschen ihre Jobs verloren.

00:31:09: Und laut Historiker Jakob Zahnike hatte die Besetzung auch Auswirkungen, die über Hennigsdorf hinausging.

00:31:16: Es gab direkte Nachahmer, es gab eben auch noch andere Besetzungen.

00:31:21: Aber Hennigsdorf hatte eine große Medialaufmerksamkeit.

00:31:24: Sie hatten in gewisser Weise ein Erfolg, weil sie es geschafft haben, die ursprüngliche Entscheidung der Treuhand in einem gewissen Rahmen zu modifizieren.

00:31:34: Und die Folgen für die Betroffenen ... einfach abzumildern.

00:31:41: Christiane Garz hat in der Zeit der Besetzung gemerkt, wie wichtig es ist, sich für andere einzusetzen und gemeinsam für eine gute Sache zu kämpfen.

00:31:50: Zweiundneunzig im Mai sind wir übernommen worden und sind im Juni oder Juli zweiundneunzig dann auch in den Bereich des Werkes hingezogen als Betriebsrat.

00:32:05: Da gab es neue Wahlen.

00:32:08: Und da hatte Peter Schulz damals zu mir gesagt, weißt du was?

00:32:13: Du weißt da sowieso am besten, was hier immer so alles abläuft.

00:32:17: Lass dich doch auch ein Betriebsrat wählen.

00:32:20: Was ja sonst eigentlich nicht üblich war, dass die Sekretärin selbst im Betriebsrat mit.

00:32:26: Und dann habe ich das auch gemacht und es hat auf Anhieb geklagt.

00:32:39: Auf die Frage, was ihr an der Arbeit am besten gefallen hat, sagt sie.

00:32:43: Die Gespräche mit den Leuten,

00:32:44: das ist es auch, was sie heute als Rentnerin am meisten vermisst.

00:32:49: Die Menschen, die sie im Stahlwerk kennengelernt hat.

00:32:52: Die aktuelle Kurzarbeit macht ihr große Sorgen.

00:32:55: Sie hat Angst, dass das Werk bis Ende des Jahres schließen könnte.

00:32:58: Aber gleichzeitig merkt man Christiane Garz an, wie stolz sie ist auf das, was sie und ihre Mitstreiterinnen bei der Besetzung und in den Jahrzehnten danach im Betrieb erkämpft haben.

00:33:10: Der Kampf der Stahlarbeiterinnen von Hennigsdorf hat gezeigt, dass sich Behaarlichkeit und Solidarität der Beschäftigten immer lohnen.

00:33:23: Das war Geschichte wird gemacht.

00:33:25: Abonniert den Podcast, um keine Folge zu verpassen.

00:33:28: Ein besonderer Dank an den Stahlwerkertraditionsverein

00:33:31: Hennigsdorf.

00:33:32: Wenn

00:33:32: euch der Podcast gefällt, freuen wir uns sehr, wenn ihr uns eine Bewertung da lasst.

00:33:37: Geschichte wird gemacht, ist eine Produktion von HausEins im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.

00:33:42: Ich bin eure Host, Maria Popov.

00:33:45: Redaktion, Katharina Alexander für HausEins und Dieter Pongin für die Hans-Böckler-Stiftung.

00:33:50: Produktionsleitung, Stefanie Kot.

00:33:53: Schnitt und Sounddesign, Joscha Kronewald.

00:33:56: Tschüss und bis zum nächsten Mal.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.