Frauen im Streik: „Migrantische Frauen und deutsche Frauen, wir haben alle zusammengehalten!“
Shownotes
Kita-Streiks, die Streiks der Krankenhaushausbewegung oder in der Pflege: Im Moment werden viele Streikbewegungen von Frauen angeführt. Auch wenn diese Dominanz von Frauen bei Streiks eine neuere Entwicklung ist, waren Frauen schon immer Teil der Arbeitskämpfe – auch, wenn die Gewerkschaften erst ab den 70er Jahren verstanden, wie wichtig es war, Themen wie Gleichberechtigung in den Fokus zu nehmen.
In dieser Folge sprechen wir mit Irina Vavitsa, die als sogenannte Gastarbeiterin nach Deutschland kam und 1973 einen wilden Streik in ihrem Betrieb mit organisierte. Und wir hören Vida Otzik, Mitarbeiterin des Charité Facility Managements, die dieses Jahr mit der Krankenhausbewegung für die Bezahlung nach Tarifvertrag streikte. Außerdem erklärt Soziologin Ingrid Artus, wieso es seit den 90er-Jahren zu einer Feminisierung von Streiks kam. Und Alexa Wolfstädter von Ver.di Frauen berichtet, wie Frauen heute die Arbeit in den Gewerkschaften maßgeblich prägen.
Danke an Labournet TV für die Bereitstellung des Archivmaterials. Labournet TV ist unabhängig und dokumentiert Streiks aus der Perspektive von Arbeiter*innen. Im Moment ist das Projekt wegen Unterfinanzierung in seiner Existenz bedroht. Wenn ihr helfen wollt, findet ihr hier mehr Informationen.
„Geschichte wird gemacht” ist eine Produktion von Hauseins im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Host: Maria Popov Redaktion: Katharina Alexander für Hauseins und Dieter Pougin für die Hans Böckler Stiftung Produktionsleitung: Stefanie Groth Schnitt und Sounddesign: Joscha Grunewald
Links und Hintergründe
– Berliner Krankenhausbewegung – Ver.di: Kampf um Gleichbehandlung: CFM-Beschäftigte erfolgreich – Dissens Podcast: 48 Tage Streik: Der gewonnene Arbeitskampf der Berliner Krankenhausbewegung – Arbeitskämpfe der 70er: Video-Portraits mit Zeitzeuginnen – Labournet TV: Archivaufnahmen vom Pierburg-Streik – Geschichte der kommenden Welten Podcast: Wilder Streik migrantischer Frauen 1973 – Dokumentationszentrum und Museum über Migration in Deutschland: Der Pierburg-Streik – Solidarität unter Arbeiterinnen – APuZ: Frauen im Streik. Zur Feminisierung von Arbeitskämpfen (von Ingrid Artus) – Unsere Podcast-Empfehlung: Lila Podcast. Feminismus für alle
Weitere Folgen "Geschichte wird gemacht" zum Thema – “Hoch die Solidarität”: Frauen im Kampf um ein mitbestimmtes Leben und Arbeiten – Über 100 Jahre Acht-Stunden-Tag – Wird’s Zeit für weniger Arbeit? – Die Vergessenen – Wie Vertragsarbeiter*innen in der Wendezeit im Stich gelassen wurden
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00:00:23: Hey, ich bin Maria und ihr hört Geschichte wird gemacht.
00:00:29: Ich
00:00:35: schneide Tomaten wie die andere Kollegin
00:00:37: und wir kriegen
00:00:38: siebenhundert
00:00:39: Euro weniger.
00:00:42: Seit drei Jahren,
00:00:43: ich
00:00:43: habe nicht mit meinen Kindern
00:00:45: Urlaub gegangen, weil kein Geld.
00:00:50: Diese Aussagen aus einem Video der Berliner Krankenhausbewegung gingen im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im April, im.
00:01:17: Über die Arbeitsbedingungen kann man das aber leider nicht sagen.
00:01:21: Wir waren alle sauer, wir waren alle wütend, weil wir arbeiten so viel und verdienen wenig.
00:01:27: Und die Kosten sind gestiegen und dann auch, es heißt ja auch, gleiche Arbeit, gleicher Lohn für alle.
00:01:34: Und die Kollegen, die bei der Charité sind, die arbeiten genauso wie wir und verdienen aber meistens auch viel mehr.
00:01:46: Das ist wieder Ozzik.
00:01:47: Sie arbeitet beim Charité Facility Management, kurz CFM, einer Tochterfirma der Charité.
00:01:53: Dort arbeiten zum Beispiel Köchinnen, HandwerkerInnen oder LogistikerInnen.
00:01:58: Wer bei CFM angestellt ist, bekam lange Zeit für die gleiche Arbeit bis zu zwanzig Prozent weniger Lohn als KollegInnen, die direkt beim Krankenhaus beschäftigt waren.
00:02:10: Total ungerecht, oder?
00:02:12: Zwarzig Jahre lang haben Angestellte der CFM mit Unterstützung von Verdi immer wieder darum gekämpft, endlich nach Tarifvertrag bezahlt zu werden.
00:02:21: Lange Zeit, erfolglos.
00:02:23: Bis zum Frühjahr, zwei Tausendfünfundzwanzig.
00:02:26: Mein Kollege, der hat mir einmal mitgeteilt, wir streiken bald.
00:02:30: Du kannst jetzt langsam bei Verdi beitreten.
00:02:33: Ich hatte ja dann halt Kontakt mit Verdi aufgenommen.
00:02:37: und habe meine Kolleginnen und Kollegen gefragt, ob die dann streiken wollen.
00:02:42: Und die sagten dann ja, und so wusste ich ganz genau, okay, das geht jetzt los.
00:02:47: Und ich mache damit auf jeden Fall, ich bin dabei.
00:02:51: Und so wurde meine Drückenheit gestärkt durch die Kolleginnen und Kollegen.
00:02:57: Für Widerotzig ist es damals ein riesiger Schritt.
00:03:00: Sie war noch nie bei einem Streik dabei.
00:03:03: Als bei CFM einige Jahre davor gestreikt wird, ist sie noch in der Probezeit und traut sich nicht, sich dem Streik anzuschließen.
00:03:10: Und das hat mir schon Leid getan für meine Kolleginnen und Kollegen, die haben gestreikt und ich war arbeiten so, weil ich es einfach nur zu viel Angst hatte in der Zeit.
00:03:23: Und dann habe ich aber gesagt, okay, beim nächsten Mal hole ich das alles nach und ich werde dann doppelt streiken.
00:03:30: Wenn sie an den ersten Streiktag denkt, bekommt wieder Otzig heute noch richtig Gänsehaut.
00:03:36: Ich habe jetzt
00:03:37: für jetzt schon Herzrasen.
00:03:40: Das war sehr, sehr, sehr aufregend.
00:03:42: So genau der Anfang.
00:03:44: Es war so, wir mussten alles organisieren.
00:03:47: Es lief erst mal heimlich nach Feierabend.
00:03:51: Und ich habe mich auch als Bereichsregierter gemeldet.
00:03:56: Das heißt, dann habe ich auch die Kolleginnen und Kollegen angesprochen und gefragt, wer macht mit und um zu testen, wie viele wir dabei sind.
00:04:07: Und zum Schluss waren wir tatsächlich über fünfzig Prozent organisiert.
00:04:12: In den Monaten davor gab es schon einige Warnstreiks, auf die der Arbeitgeber aber nicht reagierte.
00:04:18: Und so legen die MitarbeiterInnen bei CFM im April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April,
00:04:29: April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, Wir haben mehrmals alles erklärt, um was es geht, wie viel wir verdienen können, was wir erreichen können und haben dann durch die Erklärungen noch immer mehr Kolleginnen und Kollegen dazu gewonnen.
00:04:49: Und die haben auch gesagt, ja, wir machen mit.
00:04:52: Und dann kamen sie zum Schluss auch von alleine zu uns und haben uns gefragt und angesprochen, ob die mitmachen können.
00:04:59: Die möchten gerne bei Werde beitreten.
00:05:02: Die wollen auch streiken.
00:05:04: Ja, weil das hat sich ja rumgesprochen, dass Werde halt uns hilft.
00:05:10: Wieder Ozzik erzählt, dass die Gemeinschaft mit den anderen Streikenden das war, was sie in dieser Zeit besonders bestärkt hat.
00:05:17: Migrantische
00:05:17: Frauen und deutsche Frauen,
00:05:19: wir
00:05:19: haben alle zusammengehalten, so.
00:05:22: Und die Männer natürlich, die waren auch dabei, die haben auch mitgeholfen.
00:05:27: Fast fünfzig Tage dauert der Streik, also knapp zwei Monate, deutlich länger, als wieder Ozzik am Anfang erwartet hätte.
00:05:34: Ich dachte, das dauert vielleicht ein, zwei Wochen und dann ist der Streik vorbei.
00:05:39: Aber die Angebote, die CFM macht, reichen wieder ozzig und den anderen Streigenden nicht aus.
00:05:45: Wir wollten auch wieder arbeiten gehen.
00:05:47: Es war nicht so, dass wir Streiken wollten.
00:05:49: Wir mussten Streiken.
00:05:51: Im Juni legt CFM dann ein neues Angebot vor.
00:05:55: Die Mitarbeitenden von CFM werden in Zukunft nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt.
00:06:01: Die Umstellung erfolgt gestaffelt über fünf Jahre, sodass spätestens bis zum ersten Januar, im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr
00:06:10: im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr
00:06:17: im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr im Jahr.
00:06:29: Andere sind enttäuscht, weil sich so zwar der Lohn erhöht, die MitarbeiterInnen von CFM bei Zuschlägen oder Regeln zum Urlaubs- oder Weihnachtsgeld aber immer noch schlechter dastehen, als diejenigen, die direkt bei der Charité beschäftigt sind.
00:06:44: Im Juni, twenty-fünfundzwanzig kommt es dann zur Urabstimmung.
00:06:48: Das heißt, alle Mitglieder der Gewerkschaft entscheiden zusammen darüber, ob ein Angebot des Arbeitgebers angenommen wird oder ob weiter gestreikt wird.
00:06:58: Und als wir dann erfahren haben, dass wir mehr als seventy-fünf Prozent dafür gestimmt haben, dass wir das Angebot annehmen, war für mich eine schöne Erfahrung einfach, weil wir was erreicht hatten.
00:07:16: Der Streik von Wider Ozzig und den anderen Mitgliedern der Krankenhausbewegung war in vielen Punkten erfolgreich.
00:07:22: Und er ist typisch für die aktuelle Streikbewegung.
00:07:25: Er wurde nämlich mehrheitlich von Frauen angeführt.
00:07:29: Ein wirklich neues Phänomen sind vor allem diese zunehmenden weiblichen Dienstleistungsstreiks.
00:07:38: Das ist Ingrid Atos.
00:07:39: Sie ist Professorin für Sociologie und forscht an der Uni Erlangen-Nürnberg.
00:07:44: Und ihr Schwerpunkt?
00:07:45: Also alles, was mit Kapitalarbeitbeziehungen, Arbeitnehmerarbeitgeber, Gewerkschaft, Arbeitgeberverbände zu tun hat.
00:07:54: Und in ihrer Forschungsarbeit ist Ingrid Atos auf ein interessantes Phänomen gestoßen.
00:07:58: Sie nennt das die Feminisierung von Streiks.
00:08:02: Das heißt, dass Frauen seit den Neunzigern immer mehr streiken.
00:08:06: Und sie bringen auch das Aussehen von Streiks.
00:08:09: So wie wieder Otzig und die anderen Frauen in der Krankenhausbewegung.
00:08:14: Wie und warum es zu dieser Veränderung kam, das klären wir später noch.
00:08:18: Vorher möchte ich euch aber eine andere Frau vorstellen, die schon vor fünfzig Jahren Streiks mit organisiert hat.
00:08:24: Und damit zu den Vorreiterinnen der heutigen Streikbewegung gehört.
00:08:29: Irina Vavica, ich bin fünfundsiebzig Jahre alt, geboren und aufgewachsen im ehemaligen Sowjetunion und jetzt gerade sitzen wir im unsere Lieblingsbüro, die Vitalbüro in Lipstadt.
00:08:42: Meine Kollegin Katarina hat Irina Vavica in Lipstadt getroffen.
00:08:46: Die Stadt liegt zwischen Dortmund und Bielefeld.
00:08:50: Irina lebt seit bald fünfundfünfzig Jahren dort.
00:08:53: Aufgewachsen ist sie aber, ihr habt es gerade gehört, in der Sowjetunion, im heutigen Usbekistan.
00:08:59: Ihre Eltern kamen ursprünglich aus Griechenland.
00:09:01: Die war Widerstandskämpfer.
00:09:03: In der zweiten Weltkrieg war Bürgerkrieg in Griechenland.
00:09:06: Damals die Linken und Partisanenkrieg verloren.
00:09:10: Die einen großen Teil sind verhaftet worden und ungebracht.
00:09:15: Ein Teil hatte geschafft, nach Ostblockländer auszuwandern.
00:09:19: Da haben der Asyl gekriegt.
00:09:21: Irina Vavica wächst also in einem sehr politischen Haushalt auf.
00:09:25: Schon als Kind prägt ihr Vater ihr ein, dass es wichtig ist, ein Leben lang für Frieden und Gerechtigkeit zu kämpfen.
00:09:31: In den letzten Jahren erlässt Griechenland dann eine Amnesie für politisch Verfolgte.
00:09:37: Wir haben eine Visum gekriegt, die eigene Heimatland.
00:09:41: Und so sind wir in Griechenland gelandet.
00:09:44: Da haben wir ein bisschen Pecht gehabt, weil kurz danach kam die Militärdiktatur.
00:09:50: Das ganze Theater hat wieder von Phonorein angefangen.
00:09:53: Vater war verhaftet im Gefängnis.
00:09:56: Seinzehnhundertsechzig,
00:09:59: nur ein Jahr nachdem Irina Vavica und ihre Eltern nach Griechenland zurückgekehrt sind, kommt es dort zum Militärputsch.
00:10:06: Irina Vavica ist damals siebzehn Jahre alt.
00:10:10: Für sie ist der Umzug nach Griechenland schwierig.
00:10:13: Als ehemals politisch verfolgte, bekommt ihre Familie keine offiziellen Dokumente.
00:10:18: Das Schlimmste war, wir hatten überhaupt keine Papier, wir durften nicht zur Schule gehen.
00:10:22: Ich durfte meine Träume nicht verwirklichen.
00:10:25: Ich habe geträumt, also erstens zu werden, aber wir kamen nach Griechenland, das war schon alles vorbei.
00:10:31: Erst durch die Heirat mit ihrem Mann Costa bekommt Irina Vavica griechische Papiere.
00:10:36: Und als ihr Mann, im Rahmen des Gastarbeiterabkommens, nach Deutschland geht, entscheidet sie, mit ihm mitzugehen.
00:10:44: Und die erste Überraschung war auch, mein Mann muss das bewilligen, damit ich nach Deutschland komme und dürfte arbeiten.
00:10:52: Weil im Land, wo ich bin, geboren und aufgewachsen.
00:10:55: war die Frau ein Mann gleichgestellt.
00:10:57: Also eine Frau brauchten keine Erlaubnis, von ihrem Mann zu haben.
00:11:00: Ich entscheide über meine Leben.
00:11:02: Ich entscheide, ob ich arbeite oder nicht.
00:11:04: Und für mich war wichtig, auf meine eigene Beine zu stehen.
00:11:07: Einen
00:11:09: Jahr nach ihrer Mann kommt Irina Vavica dann nach Deutschland.
00:11:13: Sie wäre damals lieber nach Bayern gezogen, denn dort wohnen Verwandte von ihr.
00:11:17: Aber weil ihr Mann bei Heller, einem Zulieferer für Autoteile in Libstadt arbeitet, erlauben die deutschen Behörden das nicht.
00:11:24: Ich durfte nur zu Heller kommen, nur da, wo mein Mann war, beschäftig.
00:11:29: Und so fängt sie, in der Montage zu arbeiten.
00:11:34: Das war eine alte Heile, ein schwarze Band, da saßen links und rechts die meisten Frauen.
00:11:40: Die eine hatte die Reflektoren rein gesteckt, die andere hatte die Glulampe rein gesteckt.
00:11:46: Also einfacher, einfacher, sage ich jetzt, Job für ungelernte Arbeitskräfte.
00:11:54: Irina Vavica wird damals der Leichtlohngruppe zugeordnet.
00:11:58: In diese Lohngruppe fallen leichte körperliche Arbeiten, die überwiegend von Frauen ausgeführt werden.
00:12:05: Soziologin Ingrid Artus beschreibt die Einführung der Leichtlohngruppen so.
00:12:10: Also bis in die Fünfziger war das noch, hat man sie noch nicht mal Leichtlohngruppen genannt, sondern da war klar, weil sie Frau ist, kann man ihr per Geschlecht weniger Lohn zahlen.
00:12:19: und dass das überhaupt als rechtlich in dieser Form als illegitim erklärt wurde, ist eigentlich eine Errungenschaft in der BRD, der Fünfzigerjahre, wenn man so will, aber in der Praxis ist das dann unterlaufen worden, indem auch die Gewerkschaften sogenannte Leichtlohngruppen eingeführt haben.
00:12:37: in denen halt nur Frauen waren, weil es angeblich leichter Arbeit war.
00:12:40: Die Leichtlohn-Gruppe ist also ein Weg, Frauen weniger zu zahlen als ihren männlichen Kollegen.
00:12:46: Deutsche Frauen gibt es in Irina Vavizzas Abteilung nur ganz wenige.
00:12:51: Die meisten ihrer Kolleginnen kommen aus Spanien, Jugoslawien, Italien und Griechenland.
00:12:56: Viele von ihnen sprechen kaum bis gar kein Deutsch.
00:12:59: Das Schlimmste, was kann ein Mensch passieren, wenn man in einem fremden Land ist, die Sprache nicht zu sprechen.
00:13:04: Das waren dich.
00:13:06: Ganz, ganz, ganz schlimm.
00:13:08: Obwohl, ich konnte so ein bisschen Deutsch von der Schule.
00:13:11: Aber dadurch, dass im Betrieb kaum Deutsch gesprochen wird, wird Irina Vavizas Deutsch in den ersten Monaten erst mal sogar schlechter.
00:13:19: Es gibt im Betrieb Übersetzer, die ihnen helfen, die Anweisungen zu verstehen.
00:13:23: Und dann heißt es, arbeiten und nicht zu viel quatschen.
00:13:27: Wir haben jeden Tagzehnt schon gearbeitet.
00:13:29: Wir haben am Samstag auch schon gearbeitet.
00:13:31: Also, das war ziemlich hart.
00:13:34: Aber ... Das Schlimmste, was war für uns, die Dolmetscher, die haben uns nicht über unsere Rechte erklärt, die haben über unsere Pflichte erklärt.
00:13:45: Wir dürfen nicht zu spät kommen, wir müssen pünktlich sein, wir müssen Stuckzahl schaffen, wir müssen um Qualität kümmern.
00:13:54: Aber über andere Sachen, über unsere Rechten im Betrieb als Arbeiter, davon haben die uns nicht erklärt.
00:14:01: Das wussten wir überhaupt nicht.
00:14:04: Und wenn nichts von seinen Rechten weiß, der kann sich auch nicht so gut wehren.
00:14:08: Irina Vavica, die durch ihre Eltern aber weiß, dass man nicht alles im Betrieb einfach so hinnehmen muss, ist trotzdem regelmäßig beim Betriebsrat und beschwert sich.
00:14:18: Zum Beispiel, als sie erfährt, dass die Barakken, in denen die ArbeiterInnen untergebracht sind, deutlich weiter vom Werk entfernt sind als die der Männer.
00:14:26: Ich habe beschwert, warum überhaupt die Frauen so weit laufen, besonders, wo so viel Schnee und schlechte Wetter war.
00:14:35: Und gab es nur ein Bus für einige hunderte Frauen.
00:14:40: Und dann haben die meine erste Begegnung mit Betriebsrat.
00:14:44: Dann hat die Kollegen gesagt, ja, weil Männer sind unpünktlich.
00:14:51: Und Frauen, egal wie weit wohnen die Frauen, die würden immer pünktlich sein.
00:14:57: Diese Argument konnte ich immer noch nicht verstehen.
00:15:00: Irina war Witzers erste Versuche, etwas zu verändern, laufen ins Leere.
00:15:05: Viele der Abläufe im Betrieb erscheinen ihr Unfair.
00:15:09: Dieses Gefühl verstärkt sich, als sie mit ihrem Kolleginnen die Lohnabrechnungen vergleicht.
00:15:14: Wir konnten überhaupt nicht definieren, was drauf stand.
00:15:17: Also was bedeutet die Lohngruppe, was bedeutet Krankenversicherung, was ist eine Lohnsteuer?
00:15:25: Das wussten wir überhaupt nicht.
00:15:27: Aber wir wussten genau, wie viel Stunden wir gearbeitet haben.
00:15:31: Und was war am Ende?
00:15:33: Für alle, die in den Wohnheimen von Heller leben, und das sind die meisten von Irina Vavizzas Kolleginnen, werden noch Beiträge für Miete und Strom abgezogen.
00:15:42: Da waren wir alle zusammengesessen und gefrüchtet, die Unterschiede.
00:15:47: Also wenn zum Beispiel ich aber am gleiche Polierburg gearbeitet mit meinen Kollegen, mit männlicher Kollege, der mein männlicher Kollege hat, höhere Lohngruppe gehabt als ich.
00:15:57: Und das war schon ein Unterschied.
00:15:59: Und zwischen deutschen Kolleginnen und ausländischen Kollegen war auch ein Unterschied.
00:16:02: Also aber wir als Frauen.
00:16:05: Für die gleiche Arbeit, wir war schon zweimal bestraft.
00:16:07: Erst mal als Frau und dann als Migranten.
00:16:10: In diesem Moment wächst auch bei den anderen Kolleginnen die Wut über die Arbeitsbedingungen.
00:16:16: Und da haben wir gesagt, also, es geht nicht.
00:16:18: Wir fanden schon ungerecht alles.
00:16:21: Wir wollten schon ein besseres Leben ihr haben, weil in unseren Ländern war viel schlimmer, aber nicht unter solche Bedienungen.
00:16:30: Und so wie Irina Wavica und ihren KollegInnen geht es Anfang der neunzehntiesiger Jahre vielen Frauen in Westdeutschland.
00:16:37: Diese Kämpfe in den Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre, die gingen um eine Erhöhung der Löhne für Frauen und die Abschaffung dieser sehr niedrigen Lohngruppen, also der Leichtlohngruppen für Frauen.
00:16:48: Ja, und davon betroffen waren natürlich alle Frauen, wenn man so will, aber besonders demigrantischen Frauen.
00:16:55: Die waren in der Situation... wo es noch einen relativ starken Arbeitskräftin bedarf gab, also noch keine, wie wir das heutzutage eben kennen, noch nicht so eine starke Massenarbeitslosigkeit, dann gefordert, dass diese Situation erinnert haben muss.
00:17:24: Wilde Streiks, das sind Streiks, an denen die Gewerkschaften nicht beteiligt sind.
00:17:29: Die haben damals die Situation der migrantischen Arbeiterinnen, nämlich oft nicht genug auf dem Schirm.
00:17:42: Und diese Stimmung.
00:17:43: Hier hört ihr die Streikenden bei Pierburg in einer Archivaufnahme von Labernet.
00:17:48: Er fasst auch Lippstand.
00:17:50: Das war Raum siebzig die Ölkrise.
00:17:53: Und an die Arbeit ging über, ich dachte, das wäre jetzt nicht schlecht in Deutschland.
00:17:58: Facharbeiter ein bisschen mehr Geld zu geben.
00:18:02: Und dann haben die beschlossen, die Betriebsrat und der Arbeitgeber freiwillige Zulage nur für die deutsche Facharbeiter.
00:18:10: Sechzig Pfennig mehr die Stunde sollen die deutschen Facharbeiter bekommen.
00:18:15: Im Betriebsrat sitzen damals mit Ausnahme eines italienischen Kollegen nur Deutsche.
00:18:21: Wir haben das viel ungerecht gefunden und wir haben gesagt, das reicht uns.
00:18:25: Wir werden auf die Straße gehen.
00:18:28: Irina Vavica ist damals Hochschwanger und steht kurz vor dem Mutterschutz.
00:18:32: Aber noch ist sie im Betrieb.
00:18:34: Und sie kriegt mit, wie die Putzkräfte von dem Beschluss des Betriebsrats erzählen.
00:18:41: Ja, wir haben Wut, wir haben Frust, wir haben alles.
00:19:00: Aber diese Entschlossenheit, diese Zusammenhalt, das erlebe ich jetzt nicht so jetzt.
00:19:06: Irina Vavica und ihre Kolleginnen sind im Streik.
00:19:10: Sie fordern fünftig fennig mehr die Stunde.
00:19:13: Später haben wir gekriegt, bei Pierburg haben die Kolleginnen nach einem Demag verlangt und ihr war so bescheid und die Arbeitgeber wollten uns nicht geben.
00:19:23: Die Streikenden organisieren sich und wählen eine kleine Gruppe von KollegInnen, die die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber führen sollen.
00:19:44: Wir wurden die Gerechtigkeit.
00:19:53: Irina Verweitzer war erschrocken darüber, dass der Betriebsrat die Haltung des Arbeitgebers mitträgt.
00:19:58: Dadurch, dass sie damals den Unterschied zwischen dem Betriebsrat und der Gewerkschaft aus ihrem Heimatland nicht kennt, wirft sie der IG Metall vor, sich nicht für die Arbeitnehmerinnen einzusetzen.
00:20:09: Das war die Dolmetschers Schuld, weil die haben uns den Stich gelassen, die haben uns erst mal nicht erklärt.
00:20:15: Lass mal die Dolmetscher bar von Arbeitgeber angestellt.
00:20:20: Aber die Betriebsrat war da.
00:20:23: Das ist die Aufgabe des Betriebsrates, die Arbeit, die Kollegen zu informieren.
00:20:30: Und das fand ich traurig.
00:20:32: Vier Tage dauert der Streik.
00:20:35: Um die Streikenden zu beschwichtigen, lädt Heller sogar den Spanischen und den italienischen Botschafter ein.
00:20:41: Aber alle Versuche, die Arbeiterinnen zu beschwichtigen, scheitern.
00:20:45: Wir haben die Einkaufsstraße, wir haben gesungen, wir haben getanzt und gesungen, weil wir war fest überzeugt, wir werden diese Fünfzigfähne kriegen, wenn wir zusammenhalten.
00:20:56: Aber die Solidarität von außen, das kann man jetzt nicht ignorieren.
00:21:00: Das war schon viele, viele fremde Menschen da.
00:21:03: Die Streikenden werden von vielen linken Gruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen unterstützt.
00:21:08: Und schließlich kann sich der Arbeitgeber nicht mehr gegen den Druck wehren.
00:21:12: Er gibt nach.
00:21:14: Auch die ausländischen Arbeitskräfte bekommen eine freiwillige Zulage von fünfzig Penig mehr die Stunde.
00:21:21: Wir haben diese fünfzig Fene gekriegt.
00:21:23: Durch unsere Zusammenhalt, durch unsere Solidarität.
00:21:27: Der Kampf für gleichen Lohn, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft, wird damals nicht nur in Westdeutschland geführt.
00:21:34: Die Bewegung war nicht nur in Deutschland, sondern auch zum Beispiel in Großbritannien.
00:21:38: hat man das auch in Frankreich machen, in der Zeit die Frauen mobil.
00:21:44: Für gleichen lohnt für gleiche Arbeit.
00:21:48: Irina Vavica und ihre Kolleginnen waren also mit ihrem Streik erfolgreich.
00:21:53: Was sich an ihrer Geschichte aber krass finde, ist, dass die Gewerkschaften die Streikenden damals in vielen Punkten alleine gelassen haben.
00:22:02: Und zum Beispiel durch die Einführung der Leichtarbeitsgruppe hingenommen haben, dass die Arbeit von Frauen schlechter bezahlt wurde.
00:22:09: Wir wollten von der Soziologin Ingrid Artus wissen, woran das lag, dass die Belange von Frauen von den Gewerkschaften damals nicht wirklich ernst genommen wurden.
00:22:19: Diese Geschichte, wenn man wieder ins XIX.
00:22:21: Jahrhundert zurückgeht, beginnt eigentlich damit, dass Frauen gar nicht das Recht hatten, Mitglied in Gewerkschaften zu werden.
00:22:28: Also auch die männlichen Gewerkschaften, die waren damals rein männlich, das auch gar nicht wollten, dass die Frauen Mitglied werden, weil es gab dieses Bild, die Frau soll eigentlich so zu Hause bleiben.
00:22:39: Plus Frauen drücken die Löhne der Männer, weil Frauen ja also per Geschlecht quasi schlechter bezahlt werden.
00:22:48: Insofern stellen sie eine Niedriglohnkonkurrenz oder auch eine Schmutzkonkurrenz zu den Männern, zu den Männerlöhnen auch da.
00:22:56: Also das ist sozusagen der unrühmliche Ausgangspunkt der Gewerkschaften, wenn man so will.
00:23:08: Und trotzdem gab es schon vorher Frauen, die für gerechteren Lohnen und bessere Arbeitsbedingungen gestreikt haben.
00:23:14: So
00:23:14: vielleicht fängt man doch mal mit dem sogenannten Weber-Aufstand an, der ja berühmt ist.
00:23:22: dominierter Aufstand gesehen wird.
00:23:24: Da waren wahnsinnig viele Weberinnen dabei, weil das Weden vielerorts eben in Heimarbeit stattgefunden hat.
00:23:31: Und solche Beispiele gab es im Laufe der Geschichte immer wieder, vor allem in Branchen, in denen viele Frauen arbeiteten.
00:23:38: Also mein Lieblingsstreik ist eigentlich immer der Streik der Krimitschauer Textilarbeiter.
00:23:44: Beziehungsweise der Krimitschauer Textilarbeiterinnen.
00:23:48: Ja, und in Krimitschau, das ist in Sachsen.
00:23:51: ging es im Jahr three.
00:23:53: Darum die Arbeitszeit zu verkürzen von elf Stunden auf zehn Stunden.
00:23:57: Ja, und das war eine wahnsinnig harter Auseinandersetzung für die damalige Zeit, war auch reichsweit bekannt.
00:24:07: Es waren rund acht Tausend Arbeiterinnen daran beteiligt, von denen dann mindestens fünfhundert ihren Job verloren haben.
00:24:16: Also der Streik ist nicht gewonnen worden, weil die Arbeitgeber Fähig waren zum einen auszusperren und zum anderen die streikenden Textilarbeiterinnen durch andere Arbeitskräfte zu ersetzen.
00:24:28: Ja, aber die streikenden Frauen haben unter schwierigen Bedingungen wirklich einen extremen Kampfesmut bewiesen und wollten eigentlich auch nicht zurück in die Fabriken, es waren die Gewerkschaften, die ja eigentlich Männer dominiert waren damals, die den Kampf dann letztlich abgesagt haben.
00:24:45: Wie es dann wenige Jahre später trotzdem erst zur Einführung des Zehn und später des acht Stunden Tages kam, dazu haben wir ja schon eine Podcastfolge gemacht, die findet ihr in den Show notes.
00:24:56: Gegen Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts setzten sich die Gewerkschaften also noch nicht so wirklich stark für die Frauen ein.
00:25:04: Aber es gibt damals schon Stimmen, die sagen, nur wenn es gute Arbeitsbedingungen für alle gibt, kann diese Bewegung erfolgreich sein.
00:25:13: Bereits am Ende des neunzehnten Jahrhunderts schreibt ein August Bebel das Buch Die Frauen des Sozialismus und also dieses Grundlagenwerk versucht schon der gesamten sozialdemokratischen Arbeiterbewegung beizubringen, dass es das Ziel sein muss, dass Frauen und Männer gemeinsam für den Sozialismus kämpfen.
00:25:33: Seite an Seite und im Grunde auch gleichberechtigt.
00:25:36: Das ist ein ganz anderes geschlechter Bild und Ideal als es eben, naja, in die viele Orts auch in den Gewerkschaften noch vorhanden war.
00:25:45: Und es sollte noch lange dauern, bis es dann auch in der Praxis umgesetzt wird.
00:25:52: Ihr habt es vorhin ja schon gehört.
00:25:53: In ihrer Forschung beobachtet Ingrid Artus, dass Streiks in den letzten dreißig Jahren immer mehr von Frauen angeführt werden.
00:26:01: Und das hat mehrere Gründe.
00:26:03: Die Frauen haben auch veränderte Ansprüche an ihre Berufsarbeit.
00:26:06: Das heißt, sie haben ein anderes Interessenbewusstsein als früher.
00:26:11: Weiblichen Lohnarbeiterinnen sage ich jetzt mal im Dienstleistungsbereich, die mehr wollen als früher und die vielleicht auch mehr verdienen müssen als früher, weil sie vielleicht keinen Ehemann mehr haben.
00:26:23: Aber Kinder, die sind eigentlich die Trägerinnen dieser neuen Arbeitskämpfe.
00:26:29: Gerade Frauen, die in Kitas oder Krankenhäusern arbeiten, müssen oft unter schlechteren Bedingungen arbeiten.
00:26:36: Es ist auch eine Gegenwehr.
00:26:38: Gegen vor allem zunehmend... prekäre Arbeitssituationen in diesen Bereichen und es hat sehr viel zu tun auch mit der Vermarktlichung.
00:26:46: unseres Sozialstaates und also der Vermarktlichung auch des Gesundheitssektors, einer Privatisierung dieser Bereiche und neuen prekären Beschäftigungsbedingungen dort.
00:26:58: Zusätzlich zu dem Druck bei der Arbeit leisten Frauen in Deutschland im Schnitt auch immer noch neun Stunden mehr Sorgearbeit pro Woche als Männer.
00:27:06: Das heißt, sie verbringen mehr Zeit beim Putzen, kochen und einkaufen mit Pflege oder Kinderbetreuung.
00:27:12: Daher bringen sie auch häufiger ihre Kinder zu Streiks mit.
00:27:15: Auch die Zeitgestaltung bei so Streikversammlungen muss wohl anders sein, wenn man weiß, dass die Frauen nach Hause müssen, die Kinder von der Kita abholen müssen.
00:27:25: Also ja, die Streikulturen unterscheiden sich ein bisschen.
00:27:29: Dadurch, dass heute mehr Frauen in den Gewerkschaften aktiv sind und das auch in führenden Positionen verändert, sich auch die Arbeit dort.
00:27:37: In dem Sinne zumindest, dass die spezifisch weiblichen Interessenlagen doch stärker gesehen werden.
00:27:44: Also mit spezifisch weiblichen Interessenlagen meine ich eben diese Minderbezahlung von Frauen, die es auch nach wie vor gibt.
00:27:50: In Deutschland gibt es immer noch einen Gender Pay Gap von sechzehn Prozent.
00:27:54: Das heißt, dass Frauen im Schnitt sechzehn Prozent weniger pro Stunde verdienen als Männer.
00:27:59: Oder eben auch die Durchsetzung von Rechten, was hier sozusagen
00:28:03: ...
00:28:04: Naja, die Kinderbetreuung oder sowas angeht, dass das auch nicht nur eine Frauenangelegenheit ist, sondern eine Geschlechterangelegenheit, also dass auch Männer tun, also genauso, als sozusagen das Recht haben sollen, für Familienteilzeit zum Beispiel, also ihre Arbeitszeit zu unterbrechen oder so.
00:28:22: Solche Inhalte, die werden wichtiger in der Agenda der Gewerkschaften.
00:28:27: Ja, ich glaube, es tut sich da was.
00:28:31: Eine, die mit dafür verantwortlich ist, dass sich was tut, ist Alexa Wolfstetter.
00:28:36: Sie arbeitet bei Verdi im Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik und beschäftigt sich schon ihr Leben lang mit diesen Themen.
00:28:43: Mich war das irgendwie so eine Frage von Fairness-Gerechtigkeit.
00:28:46: Es hat mich auch selber betroffen.
00:28:47: Ich bin junge Frau gewesen oder Mädchen und habe schon sehr frühen Gefühle dafür gehabt, dass da vieles ungerecht ist und Frauen irgendwie oder ... Mädchen schlechter behandelt werden, unterdrückt werden, schlechte Chancen haben.
00:29:02: Frauen machen heute mehr als fünfzig Prozent der Mitglieder von Verdi aus.
00:29:06: Das hängt damit zusammen, dass Verdi die Gewerkschaft für Dienstleistungsberufe ist und Frauen in diesen Branchen überdurchschnittlich stark vertreten sind.
00:29:15: Dadurch hat Alexa Wolfstetter schon von Anfang an mitbekommen, wie Frauen, die Streikbewegung verändert haben.
00:29:22: Es ist tatsächlich so, dass Jahr... Hier in Berlin, ein Riesenerzieherinnenstreich war mit über fünftausend Erzieherinnen und über zehn Wochen.
00:29:36: Und das war eine richtig große Streikbewegung.
00:29:39: Und das war ja die Urstunde dieser ganzen Bewegung im Sozial- und Erziehungsdienst für bessere Arbeitsbedingungen.
00:29:45: Bei dem Kita-Streich ging es unter anderem um kleinere Gruppen und bessere Betreuungsschlüsse.
00:29:51: Außerdem sollte die Zeit, die die Erzieherinnen zur Vor- oder Nachbereitung ihrer Arbeit brauchten, bezahlt werden.
00:29:58: Also qualitative Forderung unter natürlich auch Arbeitszeitfragen und Anerkennung der pädagogischen Arbeit.
00:30:05: Und es zieht sich ja bis heute durch, ja.
00:30:07: Und das ist eine Frauenstreik-Bewegung.
00:30:10: Also sicher sind da Männer auch unterwegs, aber sind ja ganz überwiegend Frauen, die in diesem Bereich arbeiten.
00:30:17: Und die ist inzwischen so präsent.
00:30:20: genauso wie bei Streiks von Pflegekräften oder der Krankenhausbewegung.
00:30:24: Und gerade diese Bereiche sind auch ganz wesentlich für unsere Tarife auseinanderzusetzen und beobachten den Dienst.
00:30:30: Also diese Frauen, typischen Frauenbereiche, die haben ja so ein Gewicht inzwischen für die Durchsetzung von Forderungen und für die Streikbewegung, das ist ja gar nicht mehr wegzudenken, also ohne die geht es ja gar nicht mehr.
00:30:48: Diese Entwicklung beobachtet auch Irina Vavica aus Libstadt.
00:30:51: Sie findet es sehr wichtig, dass gerade Frauen sich in die Gewerkschaften einbringen und aktiv werden, so wie sie es seit den neunzehntunhundertsieger Jahren immer wieder getan hat.
00:31:01: Für die Gleichberechtigung, für Gleichstellung musst du aktiv werden.
00:31:04: Du musst unbedingt für dich was tun.
00:31:06: Und wenn du bist nicht in einer Gewerkschaft, von wem erwartest du eine Unterstützung?
00:31:12: von den politischen Parteien, sehen wir uns.
00:31:16: Also, ich denke mehr, die Gewerkschaft vertritt uns hundertprozentig.
00:31:21: Vielleicht bist du nicht zufrieden.
00:31:24: Aber wenn du bist nicht dabei, kannst du nicht von der Gewerkschaft was erwarten.
00:31:28: Sie selbst ist einige Jahre nach dem erfolgreichen Streik bei Heller der IGMetal beigetreten.
00:31:34: Dort wurde sie damals auch endlich über ihre Rechte als Arbeitnehmerin aufgeklärt.
00:31:39: Ich bin zum ersten Mal zu Seminaren gefahren und dann habe ich über unsere Rechte erfahren.
00:31:46: Und die erste AHA-Effekt war da.
00:31:51: Du wirst erfahren über deine Rechte im Betrieb, aber auch die Kinderbetreuung.
00:31:55: Das war ein A und O für uns, besonders für viele Frauen.
00:32:01: Das hast du die Gelegenheit, bei EGMITAR Seminare mit deinen Kindern hinzufahren.
00:32:07: In der Bildungsstätte gab es Kinderbetreuung und das war ziemlich wichtig für uns.
00:32:14: Das war schon eine super Erfahrung.
00:32:18: Je mehr Irina Vavica über ihre Rechte lernt, desto mehr kann sie auch ihre KollegInnen im Betrieb unterstützen.
00:32:24: Wir haben auch unsere Kollegen unterstützt.
00:32:27: Wir haben das, was haben wir erfahren, der Number, das weitergegeben an unsere Landsleute.
00:32:33: Außerdem geht sie in die Abendschule und belegt Deutschkurse.
00:32:37: Auch das hilft, ihr im Betrieb mehr mitzubestimmen.
00:32:40: Meine Betriebsratkollegen haben die genauso voll gehabt von meinem Beschwert.
00:32:44: Ja, und dann haben sie gesagt, ja, du musst Betriebsräten werden, damit du alles besser machst, ne?
00:32:49: Weil wegen jeder Ungerechtigkeit war ich bei Betriebsrat, auch wegen von meinen anderen Kollegen.
00:32:56: Ich habe immer meinen Kollegen vertreten.
00:32:57: Und so wird Irina Vavica Anfang der Neunzehnhundertneunziger in den Betriebsrat gewählt.
00:33:03: Insgesamt bleibt sie vierundvierzig Jahre bei Heller, davon fünfundzwanzig als Betriebsräte.
00:33:09: Heute ist sich stolz, dass die Gewerkschaften aus den Fehlern im Umgang mit den sogenannten Gastarbeiterinnen gelernt haben.
00:33:16: Wir sind da, Menschen zu zeigen, die sind nicht alleine hier in einem fremden Land.
00:33:21: Das ist für mich sehr, sehr, sehr wichtig.
00:33:24: Ab und zu, es gibt Betriebe hier im Umgebung, wo sind viele Flüchtlinge, die sprechen überhaupt kein Deutsch, die sprechen perfekt Englisch und die sprechen andere Sprachen.
00:33:35: Wir sind da, Menschen zu überzeugen.
00:33:39: und so zu unterstützen.
00:33:42: Erst mal zu unterstützen, die sind nicht allein, aber auch zu überzeugen, wie wichtig ist sein Gewerkschaft.
00:33:49: Streikende Frauen wie Irina Vavica waren Wegbereiterinnen der aktuellen Streikbewegung mit starker feministischer Handschrift.
00:33:58: Heute führen Frauen wie Wider Ozzik und ihre Mitstreiterinnen diese Bewegung fort.
00:34:05: Und wie wichtig es ist, diese Frauen zu unterstützen und mit ihnen zu kämpfen, zeigt unter anderem die Arbeit von Alexa Wolfstetter.
00:34:14: Dennoch immer werden Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, bekommen weniger Lohn, haben oft schlechtere Arbeitsbedingungen und tragen ein Großteil der privaten Sorgearbeit.
00:34:26: Aber sie wehren sich, sind laut und solidarisch miteinander.
00:34:31: Das zeigt nicht zuletzt die Forschung von Ingrid Artus.
00:34:35: Gewerkschaften wahren und bleiben, wichtige Orte, um gemeinsam diese Ungerechtigkeiten anzugehen und für die eigenen Interessen und bessere Arbeitsbedingungen für alle einzustehen.
00:34:47: Zu kämpfen und wenn nötig, zu streiken.
00:34:53: Übrigens, wenn ihr nach dieser Folge Lust auf noch mehr Themen zu Gleichstellung habt, empfehlen wir euch den Lila-Podcast Feminismus für alle.
00:35:02: Dort setzen sich Laura und Lena, Özge, Minouj und Katrin alle zwei Wochen mit wichtigen gesellschaftlichen Themen auseinander und betrachten diese durch die feministische Brille.
00:35:13: Dabei geht's z.B.
00:35:14: um Skinderkriegen, um patriarchale Mythen oder den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.
00:35:19: Den Link zum Podcast findet ihr in den Shownotes.
00:35:23: Das war Geschichte wird gemacht.
00:35:25: Abonniert den Podcast, um keine Folge zu verpassen.
00:35:28: Ein besonderer Dank gilt LabornedTV.
00:35:30: Wenn euch der Podcast gefällt, freuen wir uns, wenn ihr uns eine Bewertung da lasst.
00:35:35: Geschichte wird gemacht, ist eine Produktion von HausEins im Auftrag der Hansböckler-Stiftung.
00:35:41: Ich bin eure Host, Maria Popov.
00:35:44: Redaktion, Katharina Alexander für HausEins und Dieter Pogin für die Hansböckler-Stiftung.
00:35:49: Produktionsleitung, Stefanie Groth.
00:35:52: Schnitt und Sounddesign, Joscha Grunewald.
00:35:55: Tschüss und bis zum nächsten Mal.
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